Coronakrise verschont Brandenburg

Offenbar werden die Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt weniger schwer ausfallen als befürchtet

  • Claudia Krieg, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich bin überzeugt davon, dass Brandenburg nach der Krise sehr gut dastehen wird«, zeigte sich Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch in der Potsdamer Staatskanzlei optimistisch. Zusammen mit Vertretern von Verbänden und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesarbeitsagentur war Woidke vor die Presse getreten, um die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt in der Region angesichts der fortlaufenden Coronakrise zu erörtern. Für den Ministerpräsidenten sind die sinkenden Arbeitslosenzahlen ebenso Anlass zur Hoffnung wie die baldige Eröffnung des BER-Flughafens, der Aufbau des Tesla-Standorts in Grünheide und die Verabschiedung des Bundesgesetzes zur Strukturstärkung der Lausitzer Region, die weiter dem Kohleausstieg entgegengeht und wo viele Menschen auch ohne Coronakrise schon genug Unsicherheit verspüren.

Trotz des landesweiten Shutdowns, angesichts dessen viele Branchen massiv eingebrochen sind, hat sich der Arbeitsmarkt in Brandenburg im Juni tatsächlich wieder etwas entspannt. 86 226 Männer und Frauen waren landesweit im vergangenen Monat arbeitslos gemeldet und damit 754 weniger als noch im Vormonat. Allerdings lag die Zahl um 11 870 höher als im Juni des Vorjahres, wie Bernd Becking von der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit erklärte. Die Arbeitslosenquote verharrte damit bei 6,5 Prozent auf dem Niveau des Vorjahres, stieg aber, verglichen mit dem Juni 2019, um 0,9 Prozentpunkte weiter an. In Berlin ist die Lage ungleich dramatischer: Die Arbeitslosenquote stieg in der Hauptstadt deutlich auf 10,5 Prozent, hier stieg die Arbeitslosigkeit in den Branchen Gastgewerbe, Handel und Dienstleistungen am stärksten (siehe Faktenkasten).

Arbeitsmarktdaten

Die Coronakrise hat den Arbeitsmarkt in der Hauptstadt weiter fest im Griff: Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juni erneut auf 209 360 gestiegen. Das waren 8719 Männer und Frauen mehr als im Mai und 56 745 mehr als im Juni des vergangenen Jahres, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch mitteilte. Die Arbeitslosenquote wuchs, verglichen mit Mai, um 0,5 Punkte auf 10,5 Prozent. Sie liegt damit 2,7 Punkte über dem Vorjahreswert und ist weiterhin zweistellig. »Der Arbeitsmarkt im Juni, in dem sonst Arbeitslosigkeit zurückgeht, ist besonders in Berlin weiter unter Druck«, sagte der Leiter der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit, Bernd Becking. Ohne die Kurzarbeit dürfte die Situation allerdings deutlich schlechter aussehen. Inzwischen kommen nur noch wenige neue Betriebe hinzu, die Kurzarbeit anzeigen. Im Juni hat ihre Zahl um 1100 Unternehmen zugenommen. dpa/nd

Bei der Kurzarbeit gibt es indes kaum Bewegung. Sowohl in Berlin als auch in Brandenburg hätten nach wie vor Zehntausende Unternehmen Kurzarbeit angezeigt. Aktuell haben in der Region über 63 000 Betriebe Kurzarbeit für 645 000 Beschäftigte angemeldet. In Brandenburg sei ihre Zahl im Juni aber nur noch um 490 Betriebe gestiegen. »Kurzarbeit hat sich als Schutzschirm in Brandenburg bewährt«, sagte Agenturleiter Becking. Auch der Präsident der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg, Frank Büchner, stieß bei der Pressekonferenz in dieses Horn. Man könne am Einsatz der Kurzarbeit sehr gut sehen, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen halten wollten, »um nach der Krise wieder voll durchzustarten«, meinte Büchner. Christian Hoßbach, regionaler DGB-Vorsitzender und ebenfalls zugegen, vertritt demgegenüber einen anderen Standpunkt: Kurzarbeit sei nur dann wirklich hilfreich, wenn es feste Verabredungen wie Tarifverträge gibt. »Wenn wir überall Tarife und ein entsprechend angepasstes Kurzarbeitergeld hätten, dann müssten wir mit der Politik gar nicht mehr reden«, meint Hoßbach lakonisch. 40 Prozent der Menschen in Brandenburg arbeiten für weniger als 2000 Euro brutto. Wie viel davon bei einem gesetzlich bestimmten Satz von 60 oder bestenfalls 67 Prozent Kurzarbeitergeld übrig bleibt, kann man sich leicht ausrechnen - sehr wenig.

»Die daraus folgenden Einkommensverluste können Menschen sehr schnell vor existenzielle Probleme stellen«, sagt auch Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke). Das Land Berlin werde deshalb gemeinsam mit dem Bundesland Bremen am Freitag im Bundesrat einen gemeinsamen Entschließungsantrag abstimmen lassen, nach dem das Kurzarbeitergeld während der Coronakrise auf 80 Prozent des Nettoeinkommens steigen und für untere und mittlere Einkommen noch höher ausfallen soll. »Nur in dieser Höhe kann es für die Betroffenen zu einem wirklichen Rettungsschirm werden«, so Breitenbach. Die Senatorin weist auch auf all diejenigen hin, die es auf dem Arbeitsmarkt bislang schon schwer hatten und für die sich die Lage nun noch einmal verschärft hat. Dies betreffe Beschäftigte ohne Berufsausbildung und mit Fluchtgeschichte, die erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten und nun ihre Jobs verlieren. Breitenbach fürchtet auch einen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit.

Hoffnungsvoll zeigt sich DGB-Bezirkschef Hoßbach hinsichtlich der Rentenanpassung. Damit verbunden seien 800 Millionen Euro mehr Nachfrage in der Region. Zum Thema Konjunktur gibt er auch zu bedenken, dass es jedem ein Gedanke wert sein sollte, ob man das Geld im Online-Handel ausgebe oder lieber in von Schließung bedrohten Warenhäusern.

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