nd-aktuell.de / 02.07.2020 / Politik / Seite 6

Hilfe mit Hintergedanken für Syrien

Die Bundesrepublik erkauft sich durch Hilfszahlungen strategische Vorteile

Karin Leukefeld

Der Streit um grenzübergreifende Hilfslieferungen nach Syrien geht im UN-Sicherheitsrat in eine neue Runde. Die nicht-ständigen Sicherheitsratsmitglieder Deutschland und Belgien haben - in Absprache mit den USA, Großbritannien und Frankreich - einen Resolutionsentwurf eingebracht.

Der Text sieht vor, dass zwei bestehende Grenzübergänge - Bab al-Hawa und Bab al-Salam - im Norden der syrischen Provinz Idlib ein weiteres Jahr für Hilfslieferungen aus der Türkei geöffnet bleiben sollen. Darüber hinaus soll ein weiterer Grenzübergang aus dem Nordirak in den Nordosten Syriens hinzukommen und ebenfalls für ein Jahr für Hilfslieferungen geöffnet bleiben.

Die UN-Sicherheitsratsresolution 2504, mit der die zwei Grenzübergänge nach Idlib genehmigt werden, soll entsprechend modifiziert und um zwölf Monate verlängert werden. Für den Nordosten Syriens sei eine »Kombination von mehr grenzüberschreitender und Frontlinien überschreitender Hilfe« erforderlich, hieß es in der Stellungnahme, die am 29. Juni im UN-Sicherheitsrat vorgetragen wurde. Nur so könne humanitäre Unterstützung erhalten bleiben, auf die »Millionen Syrer angewiesen« seien.

Der deutsche Botschafter Christoph Heusgen verwies zudem auf die vierte Brüsseler Geberkonferenz, für die allein Deutschland mehr als 1,6 Milliarden US-Dollar zugesagt habe. Seit 2012 habe Deutschland mehr als 10 Milliarden US-Dollar Unterstützung geleistet, so Heusgen. Darüber hinaus lebten mehr als 700 000 syrische Flüchtlinge in Deutschland. Deutschland handele »rein humanitär«, hob Heusgen hervor. Es sei höchste Zeit, den Krieg in Syrien zu beenden. Die hohen Summen, die Deutschland für syrische Flüchtlinge auch in den Nachbarländern Irak, Türkei, Libanon und Jordanien ausgibt, haben strategische Bedeutung. Einerseits sollen syrische Flüchtlinge mit umfangreichen Versorgungsangeboten in den Lagern davon abgehalten werden, nach Europa zu fliehen. Andererseits bieten die UN-Umsiedlungsprogramme für Flüchtlinge in den Lagern Deutschland die Möglichkeit, Familien »herauszusuchen« die sich in Deutschland leicht integrieren lassen.

Mit dem Geld werden deutsche private und staatliche sowie internationale Hilfsorganisationen finanziert. Hohe finanzielle Zuwendung an das Welternährungsprogramm und andere UN-Organisationen gewährleisten Deutschland ein Mitspracherecht, wofür das Geld eingesetzt werden kann und wofür nicht. Der Einsatz für grenzübergreifende Hilfslieferungen soll Deutschland Einfluss in den betreffenden Gebieten sichern. Die Maßnahme entzieht der syrischen Regierung staatliche Souveränität und stärkt die Regierungsgegner. In der nordsyrischen Stadt Azaz - die von Dschihadisten und der Türkei kontrolliert wird - unterhält die von der Bundesregierung finanzierte Welthungerhilfe ein Verbindungsbüro.

Während vermutlich die Hilfslieferungen nach Idlib aus der Türkei noch ein weiteres Mal auch von Russland und China nicht blockiert werden, trifft die Öffnung der Grenze zum Nordirak auf Widerstand. Der chinesische UN-Botschafter forderte in dieser Woche die UNO und die Sicherheitsratsmitglieder auf, die syrische Regierung und die staatliche Souveränität des Landes zu stärken. Behindert werde Syrien bei seinen Aufgaben durch die Folgen der einseitigen Wirtschaftssanktionen, die vor allem der Bevölkerung schadeten.

Der russische UN-Botschafter Vassily Nebenzia forderte ebenfalls eine engere Kooperation mit der syrischen Regierung für die humanitäre Versorgung in Syrien. Die Hilfskorridore würden genutzt, um neue Grenzen im Land zu ziehen und eine innersyrische Stärkung zu verhindern. Positives Beispiel sei die Kooperation zwischen der UNO und dem Syrisch Arabischen Roten Halbmond, SARC, westlich von Aleppo. Dieses Beispiel solle auch in anderen Teilen des Landes Schule machen, so Nebenzia.