nd-aktuell.de / 07.07.2020 / Kultur / Seite 13

Spionin für den Frieden

Ruth Werner

Irmtraud Gutschke

Sie hatte viele Namen. Geboren 1907 als Ursula Maria Kuczynski, hieß sie nach ihren Eheschließungen Ursula Hamburger bzw. Ursula Beurton. Zu Ruth Werner wurde sie als Schriftstellerin, nachdem sie 1949 in die DDR übergesiedelt war.

Ich erinnere mich noch an ihr erstes Buch: »Ein ungewöhnliches Mädchen« (1958), das ich Ende der 60er gelesen habe. Wie mir die selbstbewusst-aufmüpfige Vera gefiel in ihrem Gerechtigkeitssinn und ihrem Mut! Dass die Autorin auch manches von sich selbst offenbarte, sich aber hinter einem Pseudonym verbarg, ich ahnte es nicht. Es folgten ein Dutzend Bücher, ehe Ruth Werner, der Schweigepflicht entbunden, 1977 mit »Sonjas Rapport« ihre Identität und Lebensgeschichte preisgab. Fortan wusste man über sie, dass sie als deutsche Kommunistin viele Jahre für die GRU, den militärischen Nachrichtendienst der Sowjetunion, gearbeitet hatte und von keinem Geringeren als Richard Sorge angeworben worden war - in China, wo ihr erster Mann, der Architekt Rudolf Hamburger, ab 1930 beruflich zu tun hatte. In Moskau wurde sie später zur Funkerin ausgebildet und arbeitete an verschiedenen Orten. Unter anderem baute sie nach dem Überfall auf Polen 1939 in Danzig eine Widerstandsgruppe auf. Als sie 1940 Len Beurton heiratete, wurde sie britische Staatsbürgerin und übernahm ab 1943 für die »Atomspione« Klaus Fuchs und Melita Norwood Kurierdienste. Richard Sorge wurde 1941 in Japan enttarnt und 1944 gehängt. Wie Ruth Werner selbst immer wieder in Gefahr geriet und ihr entging, hätte einen Spionagethriller abgegeben. Bei ihr wurde es ein »Report«.

Die vielleicht erfolgreichste Kundschafterin der Sowjetunion im Kampf gegen die Nazibarbarei - in ihrer lebensklugen, zurückhaltenden Art hat sie es nie herausgestrichen. So wie »Sonjas Rapport« und ihre anderen Bücher ist auch Rudolf Hempels »Funksprüche an Sonja. Die Geschichte der Ruth Werner« (2007) nur noch antiquarisch zu haben. Wieder neu auf dem Buchmarkt ist indes ein zauberhaftes Kinderbuch: »Die gepanzerte Doris« handelt von der neunjährigen Gerti, die von ihrem Vater eine Schildkröte geschenkt bekommt und so liebevoll für das Tier sorgt, als ob es ein Kind wäre. »Achter Mai«, antwortet sie, nach einem Namen für die Schildkröte gefragt. »Du kannst doch die Schildkröte nicht nach unserem Tag der Befreiung nennen«, sagt die Mutter. »Das ist unernst.« Schließlich einigen sie sich, dass »Achtermai« der Nachname und Doris der Vorname sein soll.

Ob es in Ruth Werners Familie mal eine Schildkröte gab, ich weiß es nicht. Aber dass der 8. Mai für sie von besonderer Bedeutung war, ist ohne Zweifel. In was für einer Welt würden wir leben, wenn Nazideutschland in seiner Aggression nicht aufgehalten worden wäre ... Am 7. Juli, zu Ruth Werners 20. Todestag, wird es auf dem Friedhof Baumschulenweg eine kleine Gedenkfeier geben.

Ruth Werner: Die gepanzerte Doris. Illustrationen von Gertrud Zucker. LeiV, 56 S., geb., 12,90 €.