Pyrenäen-Berghunde verjagen Wölfe

Wildpark Schorfheide zeigt mit einem neuen Gehege, wie Viehherden geschützt werden können

Schäfer Knut Kucznik im Wildpark Schorfheide, im Gehege der Hund Jupp vom Storchenturm
Schäfer Knut Kucznik im Wildpark Schorfheide, im Gehege der Hund Jupp vom Storchenturm

Der dreieinhalbjährige Pyrenäen-Berghund Jupp vom Storchenturm läuft vorn im Gehege aufmerksam am Zaun auf und ab. Seine zweieinhalbjährige Schwester Luda hat sich hinten neben einem Rind niedergelassen. Dort grast auch ein Pony. So sind Herdenschutzhunde ausgebildet. Sie sollen sich verteilen, um das Vieh vor Wölfen zu beschützen. Nähert sich ein Rudel, würde sich Jupp aufbauen und drohend knurren, bis sich die Raubtiere verziehen. Er ist groß und kräftig, etwas größer als ein Wolf. Ein Wolf würde die Auseinandersetzung scheuen und sich lieber woanders Beute suchen.

Mindestens zwei speziell ausgebildete Hunde benötige ein Viehzüchter zum Schutz seiner Tiere, bei einer großen Herde besser drei Hunde, erläutert Schäfermeister Knut Kucznik aus Altlandsberg (Märkisch-Oderland), der Pyrenäen-Berghunde züchtet. Er hat Jupp und Luda aufgezogen und abgerichtet. Zwei Jahre dauert es, bis ein Herdenschutzhund fertig ausgebildet ist. Die Tiere müssen dabei mehrere Prüfungen bestehen. Die besten können neben Wölfen auch Seeadler und Kolkraben abwehren. Dann sind sie am teuersten und kosten bis zu 8000 Euro. Es gibt aber schon welche für 5000 Euro. Vom Land Brandenburg können Schäfer, Rinderzüchter und Ziegenhalter bis zu 4000 Euro Zuschuss für die Anschaffung erhalten - für Pyrenäen-Berghunde oder für Maremmanos. Die Hunderasse Maremmanos stammt aus Italien und sieht dem Pyrenäen-Berghund ähnlich.

Wichtig ist, dass die Schutzhunde Wölfen Angst einjagen, sich aber Menschen gegenüber ruhig und friedlich verhalten. »Das sind Hunde, die Stärke von Innen haben. Die belästigen keine Touristen«, versichert Züchter Kucznik. Jupp und Luda vom Storchenturm hat er an den Wildpark Schorfheide (Barnim) abgegeben. Im Obergeschoss des Eingangsgebäudes gibt es schon ein Wolfsinforma᠆tionszentrum mit einer Ausstellung, die der damalige Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) im Dezember 2018 eröffnete. Nun kommt schräg gegenüber das Herdenschutzgehege dazu. Der aktuelle Agrarminister Axel Vogel (Grüne) übergibt es am Freitagnachmittag seiner Bestimmung. »Da drüben ist die Theorie und hier die Praxis«, sagt er dazu.

Die Umweltorganisation WWF bezahlte das Gehege. Rund 25 000 Euro habe man dafür zur Verfügung gestellt, erklärt die leitende Mitarbeiterin Diana Pretzell. Am Geld sollte die gute Idee nicht scheitern.

Das Gehege ist abschnittsweise mit unterschiedlichen Typen von Zäunen umgeben, die geeignet sind, Wölfe abzuhalten. Solche Zäune müssen hoch genug sein und beispielsweise auch ein ganzes Stück in die Erde eingegraben sein, damit sich Wölfe nicht unter ihnen hindurchwühlen können. Es gibt auch Varianten mit zwei stromführenden Drähten, die vor dem eigentlichen Zaun stehen. Auch für wolfssichere Zäune zahlt das Land Brandenburg Fördermittel aus. Die Musterherde besteht aus zwei Pferden, einem Rind, drei Schafen und einer Ziege, bewacht von den zwei genannten Hunden. Abgesehen von der Ziege handelt es sich bei dem Vieh um verschiedene bedrohte Haustierrassen. Gerade solche Haustierrassen zu hegen und zu pflegen, dem hat sich Wildparkleiterin Imke Heyter verschrieben. Sie weiß, dass Wölfe diese Tiere »lecker finden«. Heyter hat am anderen Ende des Wildparks jedoch auch ein Wolfsgehege. »Ich kann in meinem Herzen die Liebe zu Wölfen und Schafen verbinden«, sagt sie. Heyter ist bewusst, dass viele Menschen Furcht vor Wölfen haben, die in freier Wildbahn umherstreifen. Märchen haben diese Angst über Generationen hinweg eingepflanzt. »Die Gebrüder Grimm haben ganze Arbeit geleistet.«

Aber völlig unbegründet sind die Sorgen zumindest der Bauern nicht. Immerhin verzeichnet die vom Landesumweltamt geführte Statistik, dass in den Monaten Januar bis März 2020 bereits 58 Schafe, 14 Rinder, 22 Stück Damwild, zwei Nandus und ein Kaninchen den Wölfen zum Opfer gefallen sind. Allein 20 Schafe erwischte es Ende Februar in Fichtelberg im Landkreis Elbe-Elster. Und das sind nur die gemeldeten Fälle. Obwohl es vom Land eine finanzielle Entschädigung gibt - bis 31. März 2020 sind in den vergangen Jahren bereits 412 320,18 Euro ausgezahlt worden, rufen nicht alle betroffenen Tierhalter bei der Brandenburger Schadenshotline (0172) 564 17 00 an.

So berichtet am Freitag bei dem Termin im Wildpark ein Ehepaar aus Kremmen (Oberhavel), ihnen hätten Wölfe bei mehreren Angriffen - zuletzt im März - von 29 Stück Damwild in ihrem Gehege nur neun übrig gelassen. Der Mann fordert von der Politik energischere Maßnahmen, eventuell auch eine Jagd auf Wölfe wie in Schweden, wo innerhalb eines Jahres 350 Exemplare abgeschossen worden seien. Der Mann schimpft über »grüne Nostalgie«.

Agrarminister Vogel erklärt daraufhin, warum es so nicht gehe, wie es der geschädigte Tierhalter wünsche. Der Wolf stehe unter Artenschutz. Es sei maximal erlaubt, verhaltensauffällige Exemplare abzuschießen, die Siedlungen und Menschen gefährlich nahe kommen oder wiederholt in bestimmte Gatter einbrechen und dort erheblichen Schaden anrichten. Aber selbst dann dürften sie nur gejagt werden, wenn es vorher nicht gelang, sie lebend einzufangen. Was Schweden getan habe, sei mit dem EU-Recht nicht vereinbar, so Vogel. Schweden werde deswegen wahrscheinlich Probleme bekommen.

Schäfer Kucznik ergänzt, dem Ehepaar aus Kremmen würden nur wolfssichere Zäune helfen, dazu vielleicht Herdenschutzhunde, auch wenn deren Einsatz bei Damwild schwierig wäre, weil es im Gegensatz zu Haustieren schlecht mit Hunden klarkommt. Aber der Ehemann winkt ab. Er sei 75 Jahre alt und wolle nicht mehr investieren, zumal das Damwildgehege nur ein Hobby sei.

»Schäfer sind auf keinen Fall Freunde des Wolfs. Das liegt in der Natur der Sache«, versichert Schäfer Kucznik. »Der Wolf gehört erschossen, wenn er sich nicht an die Regeln hält. Aber das ist das letzte Mittel.« Wie das Schaf und der Schäfer habe auch der Wolf ein Lebensrecht. Es gehe zunächst darum, die Herden durch spezielle Zäune und Hunde zu schützen.

»Dass Wölfe keine Kuscheltiere sind, ist inzwischen deutlich«, bestätigt Agrarminister Vogel. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden sie in Deutschland ausgerottet. In den zurückliegenden Jahrzehnten sind sie aus Polen wieder eingewandert und haben sich vermehrt. Inzwischen gibt es in Brandenburg 41 Rudel und dazu noch etliche Wolfspaare. Zunächst konzentrierten sie sich auf den Süden des Bundeslandes. Mittlerweile sind sie im Norden angekommen und auch in der Schorfheide nicht mehr ausschließlich im Wildpark zu beobachten.

»Wir müssen dafür sorgen, dass die Schäfer noch etwas verdienen und nicht bloß 3,50 Euro die Stunde«, sagt der Agrarminister mit Überzeugung. Er spricht von einer Weideprämie von 30 Euro »pro Schafskopf« und davon, dass eine Verordnung »in der Mache sei«, um das Hundefutter finanziell zu fördern. Im Gehege macht Pyrenäen-Berghund Jupp derweil seine Runde am Zaun entlang.

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