• Politik
  • Präsidentschaftswahl in Polen

Abgekühlte Verhältnisse, stärkere Verbindungen

Polen steht auch nach der Präsidentenwahl unter Beobachtung. Dem deutsch-polnischen Verhältnis kommt dabei eine besondere Rolle zu

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.

Stehen sich in Polen zwei, teils fast unversöhnliche Lager gegenüber - oder sind es sogar drei, zählt man bei einer Wahlbeteiligung von rund 70 Prozent in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen in Polen am Sonntag die Nichtwähler mit rund 30 Prozent noch dazu? Nach dem knappen Sieg des Amtsinhabers Andrzej Duda gegen den starken und nur knapp unterlegenen Kandidaten der Opposition, Rafał Trzaskowski, bleiben vor allem viele Fragen offen. Das betrifft sowohl das innerpolnische Verhältnis als auch die Beziehungen zu den Nachbarstaaten und der Europäischen Union.

Duda, der den Spitznahmen »Kugelschreiber« trägt, weil er alle Gesetzesvorhaben der regierenden nationalkonservativen PiS (Prawo i Sprawiedliwość, Recht und Gerechtigkeit) unterzeichnet, dürfte trotz seiner Wiederwahl vor einer schwierigen zweiten Amtszeit stehen. Gewonnen hat er die Wahl auf den letzten Metern auch, weil er Ressentiments bespielt hat - antideutsche, anti-europäische, aber auch solche gegen homosexuelle Menschen. Nicht nur in Polen, vor allem auch in den europäischen Nachbarstaaten hat dies für Aufsehen gesorgt. Nun ist das Bespielen der Klaviatur der Ressentiments eine Kunst, die vor allem Politiker aus dem Lager der PiS aus dem Effeff beherrschen - wie man den teils ungesunden Geist nach dem Vortrag wieder vollständig in die Flasche bekommt, war dem rechten Lager bisher egal. Duda allerdings kann das nicht egal sein, wenn er sich tatsächlich zu einem Präsidenten aller Polen entwickeln will. Derzeit liegen die Konfliktlinien und Bruchstellen der polnischen Gesellschaft anhand des Wahlergebnisses so offen da wie selten zuvor: Stadtbewohner und Landbevölkerung, Ost gegen West. Kommentatoren im Land sprechen schon von »zwei Stämmen«, die sich gegenüberstehen und sich nur noch wenig zu sagen haben.

Das Verhältnis zur Europäischen Union ist seit 2015 merklich abgekühlt - wiewohl die Europabegeisterung der meisten Polen bemerkenswert stabil ist. Die EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker schaute zuletzt ziemlich genau auf den Prozess, der oft verharmlosend »Justizreformen« genannt wird, im Kern allerdings auch als ein Staatsumbau zur Sicherung der Macht über Wahlen hinweg betrachtet werden kann. Man frage sich nur einmal, was geschehen wäre, wenn das Wahlergebnis anders herum gelautet hätte? Im Zweifel müssen Gerichte über die Legitimität des Wahlausgangs urteilen. Dessen Anerkennung setzt aber wiederum voraus, dass eine große Mehrheit die Arbeit der Gerichte und deren Besetzung selbst als legitim anerkennt. Es muss sich erst noch zeigen, ob die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen angesichts der aktuellen Krisen auf solche Fragen einen ähnlich starken Fokus legt.

Das Verhältnis zum großen Nachbarn Deutschland dürfte auch nach der Wahl nicht frei von Spannungen bleiben,wobei es durchaus möglich ist, dass beispielsweise die Reparationsforderungen erst einmal wieder, wenn nicht gleich in der Schublade verschwinden, dann doch zumindest im Prioritätenstapel etwas nach unten wandern dürften - möglicherweise zur Wiedervorlage vor den nächsten Wahlen. Entscheidender derzeit scheinen die engen wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und Polen, die in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch etwas unterbelichtet sind: Polen hat Großbritannien als Handelspartner für Deutschland mittlerweile überholt, 28 Prozent aller polnischen Exporte gehen nach Deutschland. Insgesamt hat der deutsch-polnische Handel ein doppelt so großes Volumen wie jener zwischen Deutschland und Russland. An diesen Beziehungen wird Duda im Großen und Ganzen nicht rütteln, zu sehr profitieren beide Seiten davon. Und neben den nüchternen Zahlen haben auch die Szenen nach der Wiederöffnung der deutsch-polnischen Grenze nach der Corona-bedingten Schließung gezeigt, dass die grenzüberschreitenden Verbindungen heutzutage auch sehr herzlich sind.

Eine Form der deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen könnte allerdings sehr schnell auf den Tisch kommen - sie ist der PiS schon lange ein Dorn im Auge. Die Rede ist von den deutschen Beteiligungen an den regierungsunabhängigen Medien in Polen, zum Beispiel des Springer-Verlags. Der Erfolg von Trzaskowski kam auch zustande, weil er in den Medien auftauchte - und zwar nicht im PiS-kontrollierten staatlichen Rundfunk TVP, der im Wahlkampf heftigst für Duda warb. Ein Mediengesetz, um auch die nichtstaatlichen Plattformen unter Kontrolle zu bringen, wird immer wieder gefürchtet, PiS-Justizminister Zbigniew Ziobro scheint dem Ganzen überhaupt nicht abgeneigt. Ein Problem hätte er dabei wohl nicht, befürchten PiS-Gegner - ein Kugelschreiber zur Unterschrift unters Gesetz ließe sich wohl finden.

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