Aus dem All ins Parlament

Max und Moritz analysieren im Chat mit Oliver Kern jede Woche den US-Wahlkampf

  • Max Böhnel und Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Hallo Moritz, lass uns mal über den Senat sprechen. Am 3. November stimmen die US-Amerikaner nicht nur über den Präsidenten ab. Für viele Beobachter sind die 35 zur Wahl stehenden Senatssitze noch wichtiger, da ein Präsident ohne Senatsmehrheit kaum regieren kann. Derzeit sind die Republikaner mit 53 zu 47 Sitzen an der Macht. Schaffen die Demokraten es, das Verhältnis zu drehen?

Die Umfragen sehen sehr gut für sie aus. Einige ihrer Senatskandidaten könnten auf einer Anti-Trump-Welle ins Amt reiten. Das kann sich in den nächsten Monaten natürlich noch ändern. Grundsätzlich gilt aber, dass die Republikaner 23 ihrer Sitze verteidigen müssen, die Demokraten nur zwölf - ein strategischer Vorteil für die Demokraten.

Wo haben sie denn die größten Chancen, die vier nötigen Sitze zu gewinnen?

Gute Chancen haben die Demokraten in Arizona. Der dortige Herausforderer Mark Kelly ist so etwas wie der Traumkandidat: ehemaliger Astronaut, telegen, sammelt unglaublich viel Geld und liegt in Umfragen sieben bis 13 Prozent vor der republikanischen Amtsinhaberin Martha McSally. Die zweite Möglichkeit wäre North Carolina, das 2016 auch nur knapp an Trump ging. Cal Cunningham liegt hier ebenfalls vorn, wenn auch knapper. Auch er bekommt mehr Wahlkampfspenden als der Amtsinhaber. Gleiches sieht man in Colorado und Maine. Die Republikaner in diesen »swing states« haben es nicht geschafft, sich in den vergangenen Jahren genug von Trump zu lösen. Sei es beim Amtsenthebungsverfahren oder der Nominierung ungeliebter Richter. Das hat die Basis der Demokraten sehr verärgert und motiviert sie nun zu spenden und vermutlich auch zu wählen.

Einige demokratische Senatskandidaten wollten vor ein paar Monaten noch selbst Präsident werden, zum Beispiel John Hickenlooper aus Colorado oder Steve Bullock (Montana). Sie konnten sich in den Vorwahlen nicht durchsetzen, könnten den Demokraten jetzt aber doch noch helfen.

Richtig. Das war im letzten Jahr fast schon lächerlich: Jeder Demokrat, der was auf sich hielt, wollte Präsident werden. Bullock ist ein perfektes Beispiel. Er ist politisch relativ links, passt kulturell aber mit seinem Cowboystil eher zum Mittleren Westen, als zum ganzen Land. Er macht nicht auf Ostküstenintellektueller, was in Montana gut ankommt. Außerdem führt er als Gouverneur den Bundesstaat recht erfolgreich durch die Coronakrise, das macht ihn auch bei vielen Republikanern beliebt. Auf der anderen Seite galt Beto O’Rourke vor zwei Jahren noch als Star, als er im konservativen Texas nur knapp eine Senatswahl verlor. Danach wollte er gleich Präsident werden und ging unter. In den Senat will er jetzt aber auch nicht. Alle Traumkandidaten konnten die Demokraten also auch nicht rekrutieren.

Unter den 53 republikanischen Senatoren sind nur neun Frauen. Sechs davon stehen zur Wiederwahl und vier sind gefährdet. Warum?

Aus unterschiedlichen Gründen. McSally ist Opfer von demografischen Trends in Arizona. Susan Collins wird in Maine die Wahl von Brett Kavanaugh zum Obersten Verfassungsrichter vorgeworfen. Kelly Loeffler aus Georgia ist in einen Skandal um Insider-Handel verwickelt, weil sie ganz zu Beginn der Coronakrise nach geheimen Senats-Briefings Aktien abstieß.

Das hat ihr finanziell sicher geholfen.

Ja, aber politisch nicht, denn es bestätigte alle Vorurteile vom korrupten Sumpf in Washington.

Du hast die vielen Wahlkampfspenden angesprochen, die immer ein Indiz dafür sind, wie motiviert die eigene Basis ist. Selbst in Staaten, wo die Demokraten als chancenlos gelten, wie Kentucky oder South Carolina, werden sie mit Geld zugeschüttet. Warum?

In Kentucky ist das ganz klar mit Mitch McConnell verbunden. Der ist Republikanerführer im Senat und blockiert dort seit Jahren alle Gesetzesinitiativen der Demokraten wie die Anhebung des Mindestlohns. Er nennt sich selbst »Grim Reaper«, den Sensenmann demokratischer Gesetzgebung. Dementsprechend wütend sind Demokratenwähler im ganzen Land und unterstützen jetzt seine Kontrahentin Amy McGrath. Sie hat schon 41 Millionen Dollar an Spenden bekommen. Davon kann man eine Menge Werbespots bezahlen.

Kann sie auch gewinnen?

Geld und Enthusiasmus können die fundamentalen politischen Gegebenheiten vermutlich nicht überwinden. Aber es zwingt McConnell dazu, sein Geld für sich auszugeben, um seinen Sitz abzusichern. Früher hat er Millionen an andere Republikaner weitergereicht, die sie nötiger hatten. Denen fehlt das Geld nun, also bewirken die Millionenspenden schon etwas.

Trotzdem hätte McGrath beinahe ihre Vorwahl verloren.

Ja. Sie hatte in Charles Booker einen schwarzen, progressiven Gegenkandidaten, der zwar nur etwas mehr als 800.000 Dollar an Spenden bekam, aber durch die »Black Lives Matter«-Bewegung das Momentum auf seiner Seite hatte. Am Ende verlor er mit nur zwei Prozent Rückstand. Auch im Fall des Parteilinken Andrew Romanoff in Colorado gilt: Hätten ihn die nationalen Stars der Progressiven wie Bernie Sanders oder Elizabeth Warren mehr unterstützt, hätte er vielleicht gewonnen. Bei Senatswahlen liegt bei den Linken noch einiges im Argen. Man bekommt den Eindruck, als ob das eine Liga zu hoch sei.

Müssen die Demokraten denn ihrerseits fürchten, Sitze zu verlieren?
Ja, Doug Jones gewann 2018 im konservativen Südstaat Alabama nur, weil sein Gegenkandidat einen Skandal um sexuellen Missbrauch Minderjähriger am Hacken hatte. Jetzt liegt er in allen Umfragen hinten, kämpft aber tapfer, hat viel Geld gesammelt. Die Demokraten könnten eventuell auch in Michigan verlieren, ein Bundesstaat, den Donald Trump 2016 gewann. Gary Peters liegt laut Umfragen zwar sechs bis zwölf Prozent vorn, aber die Republikaner haben einen starken Gegenkandidaten aufgestellt.

Grundsätzlich kann man aber festhalten, dass die Demokraten die Republikaner in die Defensive gedrängt haben.

Auf jeden Fall. Sie haben mehrere Möglichkeiten, die vier nötigen Sitze zu gewinnen

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