Ernteschlacht voraus

Unterdurchschnittlich, aber nicht so schlecht wie in den beiden Vorjahren

  • Uwe Werner, Dedelow
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir rechnen mit besseren Ergebnissen als in den beiden Dürre-Vorjahren«, sagt Friedhelm Rogasch, Geschäftsführer des Bauernverbandes Uckermark. Er ist mit dabei beim offiziellen Start der Getreideernte der Landwirte der Region auf einem Feld bei Neugarten, wo die Agrarprodukte Dedelow GmbH die erste Wintergerste geerntet hat. Durchschnittlich werde das Ergebnis wohl ausfallen, erklärt Rogasch. »Insgesamt konnten die Niederschlagsdefizite der letzten Jahre nicht ausgeglichen werden. Vor allem Mais und Zuckerrüben brauchen bis zur Ernte noch dringend Feuchtigkeit«, so der Geschäftsführer.

Zu den konkreten Ertragserwartungen in der Uckermark sagt Gernot Verch vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF): »Jeder Tropfen Niederschlag und jeder Bodenpunkt mehr zählt. Und die Regenmengen sind auch in diesem Jahr bisher sehr ungleich verteilt, sodass auch die Ernteresultate bei den Unternehmen sehr unterschiedlich sein werden.«

»Wir haben Ertragsaussichten, die nicht wesentlich höher sind als im vergangenen Jahr. Ich rechne bei der Wintergerste mit nicht mehr als 60 Dezitonnen je Hektar. Wenn wir beim Weizen an die 70 herankommen würden, wäre ich froh. Normal sind bei uns zwischen 75 und 80«, berichtet Edgar Coym, Geschäftsführer der Agrarprodukte Dedelow. Das Unternehmen beschäftigt 100 Mitarbeiter und 13 Auszubildende. In den Ställen stehen 5100 Rinder. Auf 5600 Hektar Nutzfläche werden vor allem Getreide, Raps, Zuckerrüben und Mais angebaut. 2000 Hektar seiner Fläche nutzt das Unternehmen für den Anbau von Viehfutter.

Die diesjährige Erntesaison hat im Süden Brandenburgs mit der Gerste bereits Anfang des Monats begonnen. Im weiteren Verlauf folgen Raps, Weizen und Roggen. Erste Schätzungen gehen für 2020 landesweit von einer unterdurchschnittlichen Getreide- und Rapsernte aus. »Die gute Nachricht ist, dass wir in diesem Jahr keine flächendeckende Dürre zu beklagen haben. Aber von Entspannung kann dennoch keine Rede sein. Die herben Verluste der Vorjahre werden wir mit den zu erwartenden Ergebnissen in diesem Jahr nicht ausgleichen können«, erklärt Sven Deter, Vizepräsident des Landesbauernverbands Brandenburg aus diesem Anlass.

Vor diesem Hintergrund appellierte der Verband an die politischen Entscheidungsträger, die Rahmenbedingungen für landwirtschaftliches Handeln nicht zusätzlich zu verschlechtern. »Unsere Einkommenssituation ist schon jetzt dürftig und erlaubt keine zusätzlichen Auflagen, die mit einem nicht honorierten Mehraufwand verbunden sind. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben, wie der Insektenschutz müssen auch von der Gesellschaft insgesamt getragen werden«, so Deter.

Die Gerstenernte in der Uckermark dürfte etwas über dem Landesschnitt ausfallen. Der Bauernverband rechnet mit 56 Dezitonnen je Hektar, verweist aber darauf, dass jeder Liter Regen, der gefallen ist oder nicht, genauso wie die örtlich unterschiedliche Bodenqualität einen großen Einfluss auf die lokalen Ergebnisse haben.

Allein im Juni differierten die Niederschlagsmengen je nach Region zwischen sieben und 100 Litern je Quadratmeter. Doch die Probleme begannen schon mit dem sehr trockenen August 2019. Fehlende Niederschläge im Herbst behinderten auch die Keimung des Wintergetreides. Der milde Winter und viel Regen im Februar taten den Beständen gut. Anfang April machten Spätfröste mit bis zu minus 10 Grad, Trockenheit, permanente Winde und dann wieder viel Sonne den Bauern das Leben schwer. Auch in diesem Jahr resultierte aus den fehlenden Niederschlägen zwischen März und Mai die für Brandenburg problematische Vorsommertrockenheit.

Das Ergebnis bei der Gerste läge damit etwa vier Prozent über dem Vorjahreswert, allerdings unter dem Durchschnitt der vorangegangenen sechs Jahre von 2013 bis 2018, obwohl letzteres ein »katastrophales Dürrejahr« gewesen sei.

Bei Winterraps wird nach Erwartungen des Bauernverbands die Ernte um ein Fünftel unter dem langjährigen Mittel liegen, bei Roggen liegt das Minus bei etwa 13 Prozent. Bei Winterweizen wird im Vergleich zum Vorjahr mit einem Plus von circa sechs Prozent gerechnet, das entspricht einem Minus von elf Prozent zum langjährigen Mittel.

Die Bauern können auch nicht darauf setzen, dass die gestiegenen Erzeugerpreise die mageren Ernteergebnisse wirtschaftlich kompensieren. »Positive Signale zur Preiserholung auf dem Weltmarkt sind nicht zu erwarten«, so der Verband. »Während der Brotpreis in Deutschland seit 1950 um das Zwölffache gestiegen ist, liegen die Brotweizenpreise im Jahr 2020 immer noch auf dem Niveau von 1950«, beklagt die Interessenvertretung der Landwirte.

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