Sanierung kennt keine Ferien

An über 240 Berliner Schulen wird in der Sommerpause gebaut

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Neubau, Umbau und Aufstockung, Komplettsanierung, Innensanierung und Grundinstandsetzung: Im Rahmen der sogenannten Schulbauoffensive des rot-rot-grünen Senats gehen aktuell an fast jedem dritten Schulstandort in der Hauptstadt die Bauarbeiter und Handwerker ein und aus. Sommerferienruhe stellt man sich anders vor.

Wie die Senatsbildungsverwaltung zusammengerechnet hat, wird in den Ferien an insgesamt 243 Schulen gebaut, in allen Bezirken und bei allen Schulformen - von den Grundschulen bis zu den Oberstufenzentren. Damit entspricht die Bauaktivität in etwa der des Vorjahres, als in den Sommerferien an und in 232 Schulgebäuden die Dächer, Fassaden, Fenster, Elektro-, Sanitär- oder Heizungsanlagen saniert wurden. Es sei eben wichtig, »möglichst viele Baumaßnahmen gerade in den Sommerferien durchzuführen«, da sich »laute und schmutzintensive Baumaßnahmen« verständlicherweise »nicht mit dem Schulunterricht« vertragen, so Sandra Scheeres (SPD). Folgt man der Bildungssenatorin, läuft die Schulbauoffensive auch deshalb gerade »auf Hochtouren« - und das alles »trotz der Corona-Pandemie, die die Planungen und Durchführungen natürlich erschwert« hätte.

Engpässe durch Corona

Auch Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, bestätigt gegenüber »nd«, dass »es mit Blick auf die Arbeitskräfte- und Lieferkettensituation auf einzelnen Baustellen zu Engpässen gekommen« ist. Aber das habe in der Summe allenfalls zu »kleineren Verzögerungen« geführt, »die wieder aufgeholt werden können«. Das Haus von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) ist zusammen mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Howoge im Verantwortlichkeitsgewusel der 2017 gestarteten Schulbauoffensive vor allem für den Bereich Neubau und Großsanierung zuständig. Einen coronabedingten »Stillstand« habe es zumindest hier nicht gegeben, sagt Rohland.

Ähnliches ist aus den zuvorderst für den baulichen Unterhalt und die Sanierungen zuständigen Bezirken zu hören. Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) etwa berichtet zwar ebenfalls von kleineren Störungen im Ablauf, weil während des Lockdowns Lkw mit dringend benötigten Baumaterialien jenseits der Grenzen feststeckten. »Größere Verzögerungen haben wir allerdings nicht feststellen können.«

Reaktivierung von DDR-Gebäuden

Grunst verweist zudem darauf, dass an der Wartiner Straße im Lichtenberger Ortsteil Neu-Hohenschönhausen Anfang April, also mitten in der Hochphase der Corona-Pandemie, sogar mit dem Bau einer neuen Sekundarschule begonnen worden ist. Das 44-Millionen-Euro-Projekt wird - im Gegensatz zu der Masse der anderen Schulneubauten in Berlin - in Eigenregie des Bezirks realisiert, zum Schuljahr 2022/2023 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Schon ein Jahr zuvor soll nach den Plänen des Bürgermeisters die neue 2,5-zügige Grundschule gleich nebenan bezugsfertig sein. Hier wird derzeit für etwa 13 Millionen Euro aus Investitionsmitteln des Landes Berlin ein Schulgebäude aus DDR-Zeiten »reaktiviert«.

»Das sind beides Schulen, die dringend gebraucht werden«, sagt Grunst. Man müsse sich nur die Platzprobleme der nahe gelegenen Matibi-Grundschule anschauen. »Die ist mittlerweile zehnzügig. Das ist doch irre.« Lichtenberg wachse jedes Jahr um mehrere Tausend Einwohner, zugleich verjünge sich die Bevölkerung. Ob in Fennpfuhl, Karlshorst oder eben in Neu-Hohenschönhausen: »Überall fehlen noch Schulplätze.«

Bekanntlich betrifft dieses Problem nicht nur Lichtenberg. So erwartet die Senatsbildungsverwaltung, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler innerhalb der nächsten zehn Jahre berlinweit von aktuell rund 325 000 auf fast 389 000 steigen wird. Um diesem Mehrbedarf gerecht zu werden, sollen allein bis 2026 mehr als 60 Schulen neu errichtet werden. Nicht nur Petra Rohland von der Stadtentwicklungsverwaltung sagt deshalb: »Alle Beteiligten sind sich der Dringlichkeit der Arbeiten bewusst.«

Nun ist es freilich so, dass von den angekündigten Schulen bislang erst vier fertiggestellt wurden. Die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus nahm dies erst am Montag zum Anlass, um sich - zum wiederholten Mal - über das Ausbleiben eines »Schulbauturbos« zu mokieren. Ihr bildungspolitischer Sprecher Paul Fresdorf kritisierte, die Bautätigkeiten und Sanierungen hätten vom Senat »viel früher« und »konsequenter« vorangetrieben werden müssen. »Ziel muss es sein, dass die Schulen endlich für alle zu ordentlichen Lernorten und gleichzeitig Digitalisierungszentren gemacht werden.«

Mehr als nur ein Kabel legen

Als wenn das nicht alle zum Ziel hätten, heißt es hierzu sowohl aus der Stadtentwicklungs- wie der Bildungsverwaltung. »Sicherlich kann man Baustellen beschleunigen«, sagt Petra Rohland. »Aber wir können auch nicht irgendwo in einem Wohngebiet einfach so eine Nachtbaustelle einführen, da sind doch die Probleme programmiert.«

Bei der Digitalisierung der Schulen komme ein weiteres Problem hinzu, ergänzt Martin Klesmann, Sprecher der Bildungsverwaltung. Zwar stehe auch für den Glasfaser- und Breitbandausbau ein zweistelliger Millionenbetrag im Doppelhaushalt bereit. Für die Umsetzung der Projekte seien aber in dem Fall die Bezirke als Schulträger zuständig. Zudem sei es »ja nicht so, dass man da nur ein kleines Kabel legen muss, und das war’s«. Teilweise müssten hierfür ganze Straßen aufgerissen werden. »Sie können sich vorstellen, wie viele Ämter daran beteiligt sind. Manchmal geht es einfach nicht schneller«, so Klesmann zu »nd«.

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