nd-aktuell.de / 23.07.2020 / Gesund leben / Seite 7

Wann darf ich nach Hause?

Kinder im Krankenhaus haben Ängste und brauchen klare Aussagen

Angela Stoll

Eine Hüftkrankheit, eine Augenfehlstellung oder chronisch entzündete Gaumenmandeln: Es kann viele Gründe geben, weshalb ein Kind sich im Krankenhaus behandeln lassen muss. Anders als bei akuten Erkrankungen haben Eltern in solchen Fällen Zeit, sich mit dem anstehenden Aufenthalt auseinanderzusetzen und ihr Kind vorzubereiten. »Kinder haben oft Angst vor dem Unbekannten«, gibt Sabrina Burschel, Bundesvorsitzende des Aktionskomitees Kind im Krankenhaus (AKIK), zu bedenken. »Sie sind von der Krankenhausumgebung häufig eingeschüchtert. Für sie ist alles neu, zudem haben sie es mit lauter fremden Menschen zu tun.« Daher sei es wichtig, mit dem Kind darüber zu sprechen, was es zu erwarten hat. Bereits kleine Kinder sind oft für ein Gespräch zugänglich, wenn man einfache Worte wählt. Ansonsten können ihnen Bilderbücher oder Spiele mit dem Arztkoffer helfen, sich auf das Thema einzustellen.

Zu einem floskelhaften »Das tut nicht weh« sollten sich Erziehungsberechtigte nicht hinreißen lassen, wenn das Kind wahrscheinlich Schmerzen haben wird. »Sehr oft beobachten wir, dass Eltern zu Verharmlosungen neigen, um das Kind zu schützen. Wenn die Behandlung doch wehtut, kann das zu einem Vertrauensbruch führen. Manchmal bekommen Ärzte dann nur schwer Zugang zum Kind«, berichtet Burschel. In schwierigen Situationen - etwa vor riskanten Eingriffen - können sich Eltern zum Beispiel von einem Klinikpsychologen beraten lassen, wie sie am besten mit ihrem Kind sprechen.

Während des Aufenthalts ist es wichtig, dass die kleinen Patienten viel Unterstützung von ihren Bezugspersonen bekommen. Beatrix Schmidt, Leiterin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am St.-Joseph-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof, erklärt: »Bei Kindern bis neun Jahren sollte auf jeden Fall ein Elternteil mit aufgenommen werden. Auch bei älteren Kindern kann das notwendig sein, etwa dann, wenn sie extrem ängstlich oder schwer krank sind.« Die meisten gesetzlichen Krankenkassen kommen bei Kindern bis zum achten oder neunten Lebensjahr für die Kosten des »Rooming-in« auf - und auch bei älteren Kindern, wenn der Arzt es für nötig hält. Sicherheitshalber sollte man sich vorab bei der Kasse informieren. Nimmt ein Elternteil unbezahlten Urlaub, um beim Kind zu bleiben, kann man sich den Verdienstausfall in vielen Fällen von der Kasse erstatten lassen. Hat die Familie weitere Kinder, hat sie unter Umständen Anspruch auf eine Haushaltshilfe. Auch hier gilt: Bei der Versicherung nachfragen!

Wurden die jungen Patienten allein aufgenommen, sollten sie möglichst viel und lange Besuch von ihrer Familie bekommen, rät die Ärztin. Beschränkungen bei den Besuchszeiten gibt es auf normalen Stationen in der Regel nicht. Für manche Eltern ist es allerdings schwierig, oft in die Klinik zu kommen - zum Beispiel, wenn sie lange Anfahrtszeiten haben. Daher gibt es in vielen Kinderkrankenhäusern einen Besuchsdienst, bei dem Ehrenamtliche sich um die Kinder kümmern.

Krankenhauszimmer wirken oft steril. Vertraute Dinge - ein Kuscheltier, die Lieblingsdecke und Spielsachen - helfen Kindern, sich an die Umgebung zu gewöhnen. Optimal ist es, wenn sich gleichaltrige Patienten ein Zimmer teilen: »Manchmal bilden sich da richtige Allianzen«, sagt Schmidt.

Auf Arztgespräche sollten sich Eltern gut vorbereiten und ihre Fragen am besten notieren. In der Regel sind die Kinder bei den Gesprächen dabei. »Ich spreche sie immer als Erste an, wenn ich ins Zimmer komme. Schließlich sind sie die Hauptpersonen«, betont Schmidt. Allerdings kann es Situationen geben, in denen sie mit den Eltern zuerst allein spricht - etwa bei schwerwiegenden Diagnosen. »In solchen Fällen mache ich einen weiteren Termin aus, bei denen auch das Kind dabei ist«, sagt sie. »Kinder müssen mit eingebunden werden.« Mit fortschreitendem Alter hat die Meinung der Minderjährigen immer mehr Gewicht. Schwierig wird es, wenn sich Eltern und Kind uneins sind. »Wer über 16 ist, darf gegen seine Eltern entscheiden«, sagt Schmidt. »Im Alter zwischen 14 und 16 kommt es auf die Reife des Jugendlichen an.«

Häufig leiden Patienten und ihre Angehörigen im Krankenhaus darunter, dass sie wenig erfahren. Für Eltern kranker Kinder kann das eine nervliche Zerreißprobe werden, insbesondere, wenn das Kind ständig nachbohrt: »Wann darf ich nach Hause?« Ein Patentrezept für solche Situationen gibt es nicht. »Ich würde Eltern dazu ermutigen, das Recht auf Information einzufordern«, sagt Burschel vom AKIK. »Wichtig ist aber, dabei Ruhe zu bewahren.« Mit dem Beschimpfen gestresster Krankenschwestern ist niemandem gedient. Beatrix Schmidt äußert sich ähnlich: »Oft warten Eltern auf den Arzt und erwarten sofort Auskunft, obwohl er gerade gar keine Zeit hat. Da ist es besser, einen Termin mit ihm auszumachen.«

Abgesehen davon fürchten sich Eltern, bei deren Kind eine stationäre Behandlung ansteht, häufig vor multiresistenten Keimen, bei denen die üblichen Antibiotika nicht wirken. Das kann dann bedrohlich werden, wenn derlei Bakterien in eine frisch operierte Wunde gelangen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung entwickeln in Deutschland etwa 500 000 Menschen pro Jahr Krankenhausinfektionen, von denen etwa 30 000 von multiresistenten Erregern ausgelöst werden. »Einen hundertprozentigen Schutz vor diesen Erregern gibt es nicht«, sagt Schmidt. »Wenn wir wissen, dass ein Kind besiedelt ist, dann isolieren wir es.« So wird bei Frühchen, die wegen ihres schwachen Immunsystem besonders gefährdet sind, ein Abstrich genommen. Ansonsten lautet die wesentliche Vorsichtsmaßnahme: strenge Handhygiene! Alle Besucher sollten sich beim Betreten und Verlassen des Krankenhauses gründlich die Hände desinfizieren. »Wichtig ist, keinen Schmuck an Händen oder Unterarmen zu tragen«, betont die Kinderärztin. Am besten lässt man Ringe, Armbanduhren und Co gleich daheim: Daran sitzen häufig Keime, die man unbemerkt in die Klinik einschleppt.