CDU kungelt mit AfD gegen die Rigaer94

Opposition will angebliche Strafvereitelung im Amt in einer Sondersitzung im Innenausschuss aufklären

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Niklas Schrader, innenpolitischer Experte der Linken und Mitglied des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus ist empört: »Herr Czaja und Herr Dregger betonen immer wieder, dass es keine parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD gibt, aber wenn es um gemeinsame Feindbilder geht, brennen scheinbar kollektiv die Sicherungen durch«, erklärt Schrader am Dienstag gegenüber »nd«.

»Die Abgrenzung von Burkard Dregger nach rechts fällt in sich zusammen, sobald es in den populistischen Kram passt. Sie ist nichts, aber auch gar nichts wert«, hatte der Abgeordnete bereits am frühen Montagabend getwittert. Der Grund: Ihm war in seiner Funktion ein gemeinsamer Antrag der Parteien CDU, FDP und AfD an den Innenausschuss des Abgeordnetenhauses zugegangen. In diesem fordert die konservative bis rechtsextreme Opposition eine Sondersitzung des Ausschusses unter einem wahrlich sperrigen Titel: »Rigaer Straße 94: Warum mussten sich am 13.07.2020 redliche Bürger von linksextremistischen Gewalttätern zusammenschlagen lassen, bevor die Polizei eingreifen durfte, die dann zu spät kam, um die Gewalttaten abzuwehren und die Gewalttäter zu ermitteln - führt der existierende Behördenleitervorbehalt zu Strafvereitelung im Amt?« Unterschrieben wurde der Antrag von CDU-Fraktionschef Burkard Dregger sowie den Abgeordneten Kurt Wansner, Maik Penn und Peter Trapp, für die AfD zeichneten Hanno Bachmann, Marc Vallendar und Karsten Woldeit, für die FDP der nationalliberale Abgeordnete Holger Krestel.

Ihnen allen sollte bekannt sein, dass Sondersitzungen in der Sommerpause nur in dringlichen, unaufschiebbaren Fällen stattfinden dürfen und der Zustimmung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses bedürfen. Ob Ralf Wieland diese erteilen wird, darf noch bezweifelt werden.

Sicher ist: Die nächste Folge der Serie »Schlacht um die Rigaer Straße« kommt bestimmt. Burkard Dregger spricht zum Beispiel von »Rückzugsräumen für politische Gewalttäter«, mit deren Tolerierung Rot-Rot-Grün das Vertrauen der Bürger*innen in den Rechtsstaat derart geschwächt habe, dass es »nur durch konsequentes Durchsetzen von Recht und Ordnung« wiederhergestellt werden könne. Interessant ist, dass sich die Allianz gegen das Friedrichshainer Hausprojekt, das sinnbildlich für vieles steht, was neoliberale bis nationalistische Rechtskonservative zutiefst ablehnen, nun sogar gegen die Berliner Polizei richtet, wenn man den Titel des Antrags richtig übersetzt. Demnach kommen Beamte, angeblich unter dem politischem Druck der rot-rot-grünen Regierung, nicht mehr angemessen ihren ordnungspolitischen Aufgaben nach.

Das sei absurd, erklärt Niklas Schrader. »Natürlich kann die Polizei dort Straftaten verfolgen«, so Schrader. Dass sie das auch tatsächlich tut, davon konnte man sich zuletzt erst vor knapp drei Wochen überzeugen: Am Morgen des 13. Juli hatten 200 Beamte die Eingangstür des Hauses gewaltsam aufgebrochen und mehrere Wohnungen im Vorderhaus gestürmt (»nd« berichtete). Als Grund gab die Polizei Durchsuchungsbeschlüsse wegen des Verdachts der Urkundenfälschung sowie gefährliche Körperverletzung an.

In diesem Zusammenhang versuchte auch der selbst proklamierte neue Hausverwalter Thorsten Luschnat das Haus zu betreten. Laut Polizei sollen er und Markus Bernau, der vorgibt, der Eigentümer-Anwalt zu sein, bei diesem Versuch mit Reizgas und einer Eisenstange attackiert worden sein. Er habe Polizeischutz angefordert und diesen nicht erhalten. Die angeblichen Verletzungen präsentierte Luschnat dann auch kürzlich öffentlichkeitswirksam in einer Abendschau-Sendung des RBB. Sein Anwalt Alexander von Aretin befand dort: »Der Eigentümer braucht Polizeischutz, weil er sich nicht selbst eine Winchester kaufen kann, um davon Gebrauch zu machen.« Aber: Die Polizei lehnt eine Begleitung der angeführten Brandschutzmaßnahmen, wegen derer Luschnat das Haus vorgibt, betreten zu müssen, ab. Dafür sei sie nicht zuständig. Dies kommentiert der ehemalige Polizeidirektor Michael Knape in derselben Sendung mit »Amtspflichtverletzung«, da hier »Schutz verweigert wird« - »ein unvorstellbarer Vorgang«. Geht es nach AfD, CDU und FDP soll Knape nun als Experte in der geforderten Sondersitzung angehört werden - neben Luschnat und Bernau.

»Niemand hat die Eigentümerschaft an dem Haus nachgewiesen, weder Anwalt noch Hausverwaltung«, so der Linke-Politiker Schrader. Für ihn inszenieren sich die Vertreter des neuen Eigentümers Lafone Investment Ltd bewusst direkt vor dem Haus. Erreichbar ist die Firma Luschnat nicht: Wer die im Internet angegebene Nummer anruft, hört eine automatische Ansage: »Die gewählte Rufnummer ist ungültig.«

»Was sollen solche Leute zur Aufklärung beitragen«, fragt Schrader. Er erwartet, dass es zunächst einmal zur innenpolitischen Aufklärung des Polizeieinsatzes von vor drei Wochen kommt. CDU, FDP und AfD scheine es, so sein Vorwurf, auch nicht zu stören, dass die Hausverwaltung mit Mitgliedern oder Sympathisanten der Hells Angels zusammenarbeitet: Einer der von Thorsten Luschnat beauftragten Handwerker hat den Schriftzug »Combat 81« auf die Glatze tätowiert - eine militante Neonazi-Organisation, die in Deutschland verboten ist. »81« steht gemeinhin für Hells Angels.

Für den Innenpolitiker Schrader ist vor allem eines deutlich: Bei allen Versuchen, das Pferd der innenpolitischen Angstmacherei zu reiten, suchen CDU und FDP die Zusammenarbeit mit der extremen Rechten - obwohl es diese Zusammenarbeit ja offiziell gar nicht geben soll.

Beide Fraktionen kamen der Bitte um eine diesbezügliche Stellungnahme bis zum Redaktionsschluss dieser Zeitung nicht nach.

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