Faszinierender Größenwahn

Rasant wächst die Tesla-Elektroautofabrik in Grünheide bei Berlin.

  • Tim Zülch und Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Das morgendliche Licht lässt die Wipfel der Brandenburger Kiefernwälder rund um die geplante Tesla-Gigafactory in Grünheide gelbrot glühen. Auf dem Dach der rund 30 Hektar großen rechteckigen Fabrikhalle, deren Simulation Elon Musk am 15. Juli als Bild twitterte, sind großflächig Solarzellen zu erkennen. Insgesamt sollen in verschiedenen Baustufen vier solcher Fabrikhallen entstehen.

Die meisten Twitter-Nutzer*innen äußerten sich nach der Veröffentlichung des Bildes anerkennend über die Baupläne Teslas. »Ich liiiiebe es! Ich muss vorbeikommen, wenn es fertig ist«, schreibt etwa Tennisstar Sabine Lisicki. Andere Twitter-User*innen kritisierten allerdings immer wieder die Rodung der Waldfläche, einzelne zeigten sich auch unzufrieden mit der Architektur. »Nein. Elon. Nein. wir wollen Architektur für die Zukunft«, schreibt einer. Andere suchen nach dem von Musk Anfang des Jahres angekündigten Club (»Rave Cave«), der Bestandteil der Fabrik sein soll. Musk antwortete: »Es könnte einen Innen-/Außen-Party-Ort auf dem Dach geben.«

Mittlerweile ist Tesla auf dem Weg zur Realisierung des Bauvorhabens »Gigafactory 4« einen weiteren Schritt vorangekommen. So hat der Konzern inzwischen grünes Licht vom Brandenburger Landesumweltamt bekommen, im Rahmen einer vorläufigen Genehmigung und auf eigenes Risiko erste Arbeiten am Fundament und am Rohbau durchführen zu können.

Die endgültige umwelt- und wasserrechtliche Genehmigung des Vorhabens steht allerdings noch aus. Momentan können die Unterlagen eingesehen werden. Wegen der Pandemie-Situation ist dies auch online möglich. Für den 23. September ist eine öffentliche Erörterung durch das Landesamt für Umwelt in Erkner anberaumt. Dort werden die eingegangenen Einwendungen zur Sprache kommen.

»Wir sind gerade sehr damit beschäftigt, die Unterlagen zu sichten, schließlich handelt es sich um mehrere Tausend Seiten zu sehr unterschiedlichen Themen«, sagt Christiane Schröder, Brandenburger Landesgeschäftsführerin des Naturschutzbundes Nabu zu »nd«. Bis zum 3. September müssen die Einwendungen schriftlich eingereicht sein.

Tesla musste die Antragsunterlagen noch im laufenden Verfahren modifizieren. So wurden Änderungen an der Konstruktion des Fundaments vorgenommen. Dem sandigen Untergrund geschuldet, werden es nun Pfahlgründungen. Um den Wasserverbrauch einzuschränken, wurde zunächst auf eine Kunststoff- und eine Batteriefertigung auf dem Gelände verzichtet. Zur zweiten Ausbaustufe, für die noch kein Genehmigungsverfahren läuft, soll auch die Herstellung von Akkus gehören. »Es wird eine lokale Zellproduktion geben, die den Bedürfnissen der Berliner Fabrik gerecht wird«, sagte Tesla-Chef Musk. Die Hallen sollen nach aktuellem Stand nur noch gut 15 statt 24 Meter hoch werden. Außerdem wird die Schienenanbindung verbessert, um den Straßenverkehr zu reduzieren.

92 Hektar Kiefernwald hat Tesla inzwischen auf dem 300-Hektar-Areal roden lassen und den Boden für das Baufeld planiert. Insgesamt sollen 193 Hektar Wald verschwinden. In den letzten Wochen wurden unter anderem eine Betonmischanlage installiert und Fundamentblöcke gefertigt.

Trotz der Anpassung der Planungsunterlagen provoziert die geplante Errichtung der Fabrik weiterhin Proteste von Naturschützern in Grünheide. Erst kürzlich demonstrierte die örtliche Bürgerinitiative erneut gegen die Gigafactory. »Bauen vor der finalen Genehmigung«, heißt es kopfschüttelnd von den Aktivist*innen. Mittlerweile ist ein fünfter Antrag auf vorzeitige Genehmigung nach Paragraf 8a des Bundesimmissionsschutzgesetzes eingereicht, in dem es um die Errichtung der Pfahlgründungen gehe, so die Bürgerinitiative. »Die Pfahlgründung hat direkte Auswirkungen auf unser Grundwasser«, kritisiert sie. Sollte es nicht zu einer finalen Genehmigung kommen, müsste Tesla alle bisherigen Maßnahmen auf eigene Kosten rückgängig machen.

»In diesem Ausmaß hat es das in Brandenburg noch nicht gegeben«, sagt Christiane Schröder vom Nabu. Man müsse sich die Frage stellen, inwieweit das Vorgehen noch legitim ist. »Es steht natürlich sehr viel politischer Wille im Hintergrund, der für entsprechenden Druck auf die Verwaltung sorgt.«

Auch der Wasserverband Strausberg-Erkner hat jüngst Alarm geschlagen, wie der RBB berichtete. In einem internen Schreiben des Verbandes sei darauf hingewiesen worden, dass die Wasserversorgung der Region nur noch bis 2022 gesichert sei, da die Grundwasser-Entnahmemengen gedeckelt seien. Der Verband moniert außerdem, dass Tesla einen bereits im Mai zugestellten Vertragsentwurf über die voraussichtliche Wassernutzung noch nicht unterschrieben habe und somit keine Rechtssicherheit für weitere Planungen bestehe. Tesla geht davon aus, für den Betrieb der Fabrik allein im ersten Bauabschnitt 233 Kubikmeter Wasser pro Stunde zu benötigen - 1,5 Millionen Kubikmeter pro Jahr.

»Die Frage, wo das Wasser für Tesla tatsächlich herkommt, ist der ausschlaggebende Punkt«, erklärt Naturschützerin Schröder. Etwas weiter nördlich des Geländes, außerhalb des Wasserschutzgebiets, liegt das Löcknitztal, das durch einen sinkenden Grundwasserspiegel gefährdet wäre. Es ist ein Rückzugsgebiet für Insekten und Schmetterlingsarten, auch Moorflächen könnten trockenfallen und dann dort gespeichertes CO2 wieder an die Atmosphäre abgeben. »Die Wasserproblematik macht uns naturschutzfachlich die größten Bauchschmerzen. Wir wissen alle, dass Brandenburg immer trockener werden wird«, sagt Schröder.

Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) gab sich angesichts der Warnung des Wasserversorgers überrascht: »Alle bisher zum Thema Wasser geführten Gespräche haben zum Ergebnis gehabt, dass die anstehenden Probleme lösbar sind und das Tesla-Projekt nicht gefährden.« So sieht es vermutlich auch Elon Musk, der sich den ambitionierten Zeitplan auferlegt hat, bereits in einem Jahr in Grünheide Autos bauen zu lassen. Jüngst zeigte er sich bei Twitter begeistert über das dank Betonmodulen schnelle Bautempo.

»Mit Corona ist das Auto als beliebtestes Fortbewegungsmittel und Liebling Nummer Eins der Deutschen noch mal stärker in den Fokus gerückt«, konstatiert Christiane Schröder besorgt.

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