Lega-Chef kann angeklagt werden

Italiens Senat hebt Immunität von Ex-Innenminister Matteo Salvini auf.

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach einer mehrstündigen Debatte hat sich eine Mehrheit der anwesenden Mitglieder der Oberen Parlamentskammer in Rom dafür ausgesprochen: 149 Senatoren stimmten am Donnerstag für die Aufhebung der parlamentarischen Immunität des Lega-Chefs Matteo Salvini. Die Politiker der Koalition aus 5-Sterne-Bewegung, Demokratischer Partei und Linken zeigten sich einmütig. 141 Senatoren der Lega und der mit ihr verbündeten Berlusconi-Partei Forza Italia sowie der rechtsextremen Fratelli d’Italia stellten sich hinter Salvini.

Damit kann der frühere Innenminister im Fall des Rettungsschiffs »Open Arms« wegen Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauchs angeklagt werden. Zuständig sein wird das Ministergericht von Palermo als einzige Rechtsinstanz, die über Regierungsmitglieder urteilen darf.

Im August 2019 hatte Salvini dem unter spanischer Flagge fahrenden Seenotrettungsschiff »Open Arms« 19 Tage lang untersagt, Dutzende aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge, darunter unbegleitete Minderjährige, in Italien an Land gehen zur lassen. Deren Lage wurde so prekär, dass einige drohten, sich das Leben zu nehmen. Der Staatsanwalt des sizilianischen Agrigento entschied schließlich, die Menschen an Land zu lassen. Gleichzeitig stellte er Strafanzeige gegen den damaligen Minister.

In einem weiteren Prozess, den der Senat bereits am 12. Februar gestattete, muss er sich zu denselben Anklagepunkten verantworten. Dabei geht es um die von Salvini untersagte Anlandung von 130 Flüchtlingen auf dem Küstenwachschiff »Gregoretti«.

Nach dem neuen Senatsentscheid beeilte sich Lega-Chef Salvini zu erklären, dass er seinen politischen Weg unbeirrt fortsetzen und »erhobenen Hauptes in die Gerichtssäle« schreiten werde. Im Falle von Verurteilungen drohen ihm nicht nur Haftstrafen bis zu 15 Jahren, sondern auch der Verlust des passiven Wahlrechts. Bei einem Schuldspruch dürfte Salvini mindestens zwei Jahre lang für kein politisches Amt kandidieren.

Die Hoffnung auf das Amt des Ministerpräsidenten kann er nun erst einmal fahren lassen. Ob sich die Lega, die seit Wochen an Wählergunst verliert, davon erholt, ist eher zweifelhaft. Und damit auch eine Mehrheit für eine Regierung der Rechtskoalition.

Dies befürchtet auch der langjährige Premier und Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi. Der skandalerprobte »Cavaliere« stellt sich nun demonstrativ hinter Salvini. Die Senatsentscheidung sei eine »Instrumentalisierung der Justiz zu politischen Zwecken«, wie sie ihm auch bereits des Öfteren widerfahren sei.

Allerdings sind Berlusconis Fälle, bei denen es sich meist um dessen private Verfehlungen handelte, kaum mit denen des Lega-Chefs vergleichbar, der für seine rechte Hetze mit den Leben in Not geratener Flüchtlinge spielte. Kommentar Seite 8

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