Wie Reiseveranstalter den Reisenden das Leben schwer machen

Fragen & Antworten zu Reisen in der Corona-Pandemie

  • Lesedauer: 3 Min.

Es heißt: Urlauber können geplante Pauschalreisen innerhalb der Reisewarnung kostenfrei stornieren. Dann erhält man sein Geld innerhalb von 14 Tagen zurück. Richtig oder nicht?

Entschädigungsregelung für Pauschalreisende

Bundestag und Bundesrat haben unisono beschlossen, dass Reiseveranstalter ihren Kunden einen Gutschein anbieten können. Diese können aber auch auf einer Rückzahlung ihres Geldes beharren. Die ursprünglich geplante Gutscheinpflicht ist gescheitert. Verbraucher, die ihre Pauschalreise vor dem 8. März gebucht haben, können freiwillig einen Gutschein wählen, dessen Wert auch dann staatlich abgesichert ist, wenn Anbieter Pleite gehen. dpa/nd

Nach dem Gesetz schon. Das entspricht aber nicht der Realität. Die Rückmeldungen der Verbraucher zeigen: Es gibt große Probleme und Verzögerungen bei der Erstattung der Reisepreise. Und da spreche ich auch von Reisen, die schon im März abgesagt wurden. Wir erhalten jeden Tag zahlreiche Beschwerden von betroffenen Verbrauchern.

Mit welchem Argument halten Reiseveranstalter das Geld zurück?

Viele Reiseveranstalter arbeiten nicht mit Argumenten, die reagieren einfach nicht. Manche Veranstalter gehen sogar so weit, dass sie bisherige Kommunikationskanäle nicht mehr zur Verfügung stellen. Die Anzahl der Anfragen ist unbeschreiblich groß, und darauf sind die Veranstalter nicht eingestellt. Einige Reiseveranstalter werden weiterhin auf Gutschein- oder Guthabenlösungen drängen.

Was ist mit Reisen zwischen dem 14. Juni und dem 31. August? Können diese nun bedenkenfrei storniert werden?

Leider nicht. Auch hier sieht die Realität anders aus. Die Reiseveranstalter teilen die Ansicht erwartungsgemäß nicht. Uns ist bislang kein Reiseveranstalter bekannt, der eine Stornierung für diesen Zeitraum kostenfrei möglich macht. Tatsächlich machen sie weiter Stornogebühren geltend und ziehen diese sogar ein, wenn sie über die Anzahlung hinausgehen.

Sollen Verbraucher Reisen, die nach dem 14. Juni beginnen, also noch nicht stornieren?

Wenn möglich, sollte man tatsächlich bis kurz vor Reisebeginn abwarten. Denn sobald für den Zeitpunkt des Reiseantritts eine Reisewarnung vorliegt, ist eine kostenfreie Stornierung unstrittig. Viele Verbraucher, gerade wenn sie älter sind, wollen aber wegen der ganzen Unsicherheiten gar nicht mehr reisen. In dem Fall könnten sie sich auf ihr kostenfreies Stornierungsrecht und auf die zu erwartenden erheblichen Beeinträchtigungen der Reise durch die Corona-Pandemie berufen. Dann bleibt ihnen die Möglichkeit, sich die Anzahlung und Stornogebühren gerichtlich wiederzuholen.

Wie sieht es mit den Restzahlungen für noch ausstehende Reisen aus?

Wer unter Hinweis auf Corona kostenfrei storniert hat, muss keine Restzahlung mehr vornehmen. Auch vertragliche Stornierungsgebühren sollten Betroffene unter Hinweis auf das kostenfreie Stornierungsrecht nicht zahlen. Aber sehr wahrscheinlich ist, dass der Reiseveranstalter die Gebühren geltend machen wird, wenn die Stornierung außerhalb der Reisewarnungszeit liegt.

Bei einer Reise, die noch nicht storniert wurde und bei der 30 Tage vor Reisebeginn Restzahlungen ausstehen, kann man sich ebenfalls auf das kostenfreie Stornieren berufen. Reisende können demnach die Restzahlung aufgrund der aktuell bestehenden Unsicherheit bis wenige Tage vor Reisebeginn zurückhalten, wenn die Reisewarnung oder etwa ein Einreiseverbot zwei oder drei Wochen vor Reiseantritt auslaufen und nicht sicher ist, ob sie verlängert werden.

Die Krux ist aber, dass das mit einem Risiko verbunden ist, denn die Reiseveranstalter werden nach Lage der Dinge die Auffassung wohl nicht teilen. Schlimmstenfalls kann es dazu kommen, dass der Reiseveranstalter vom Vertrag zurücktritt, der Verbraucher seine Reise nicht antreten kann und vom Veranstalter auf Schadenersatz verklagt wird. Dann ist der Verbraucher gezwungen, die Sache vor Gericht zu klären. VZB/nd

Verbraucher, die rechtliche Fragen rund um das Thema Reise haben, können sich an die Verbraucherzentrale wenden: telefonische Verbraucherberatung nach Terminvereinbarung unter (0331) 98 22 99 95 (montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr) oder online unter www.verbraucherzentrale-brandenburg.de/terminbuchung oder E-Mailberatung auf www.verbraucherzentrale-brandenburg.de/emailberatung

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