nd-aktuell.de / 10.08.2020 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 15

Krisengewinner Gold

Der Preis des Edelmetalls ist auf dem höchsten Stand der Geschichte

Hermannus Pfeiffer

Bereits Mitte April erreichte der Goldpreis sein höchstes Niveau seit vielen Jahren. In wenigen Wochen war der Preis um fast 300 US-Dollar gestiegen. Auslöser waren der massive Einbruch der Aktienmärkte wegen der Coronakrise sowie die einsetzende Geldflut seitens der Zentralbanken und Regierungen. Doch damit war die Preisrally noch nicht am Ende. Von rund 1750 US-Dollar kletterte der Preis bis Ende vergangener Woche auf das Rekordhoch von knapp 2100 US-Dollar.

Dieser Wert entspricht knapp 1800 Euro pro Feinunze (rund 31,1 Gramm). Doch der Goldpreis wird in der weltweit aktiven Rohstoffbranche in US-Dollar berechnet. So ist ein weiterer Grund für den hohen Goldpreis der schwache US-Dollar. Die irrlichternde Anti-Corona-Politik von US-Präsident Donald Trump und die expansive Geldpolitik der Notenbank Fed drücken die Nachfrage nach Dollar und damit den Wechselkurs der globalen Leitwährung. Ein anderer Faktor, der den Goldpreis in die Höhe treibt, ist die Angst vor dem Ungewissem. In Krisen ist es normal, dass die Nachfrage nach physischem Gold steigt. So legten die Käufe von Barren und Münzen hierzulande um mehr als 100 Prozent zu. 83,5 Tonnen Gold kauften die Deutschen in den ersten sechs Monaten des Jahres. Das geht aus Zahlen des Branchenverbandes World Gold Council hervor. Wegen der zeitweiligen Schließung der Goldraffinerien in der Schweiz kam es vereinzelt sogar zu Angebotsengpässen.

Die Hilfsbillionen von Regierungen und Notenbanken heizen die bereits hohe öffentliche Verschuldung weiter an, was zu mehr Sorgen vor einer Inflation führt. In einer Umfrage, die das Internethandelshaus Bullion Vault in London kürzlich durchführte, nannten Goldkäufer vor allem Inflation als Grund.

Allerdings gibt es dafür aktuell keine Anzeichen. Die Inflationsrate in Deutschland war im Juli mit minus 0,1 Prozent sogar negativ. Das heißt, die Preise stiegen nicht, wie es normalerweise der Fall ist, sondern gingen sogar zurück. Doch wer sucht, der findet. Die niedrige Preissteigerungsrate könnte der Vorbote einer Deflation sein - Gold erscheint da manchem verunsicherten Anleger als sicherer Hafen. »Einen nicht vernachlässigbaren Faktor stellen auch die immer weiter ausufernden Spannungen zwischen den USA und China dar«, meint die Ophirum Gruppe, die bundesweit ein Dutzend Edelmetallläden betreibt. »Der Handelskonflikt hat und wird weiterhin den Goldpreis fundamental stützen können.« Die Goldhändler halten daher den hohen Preis für »kaum spekulativ getrieben«.

Dem widersprechen die Rohstoffexperten der Commerzbank. Die globale Goldnachfrage sei im zweiten Quartal auf ein Zweijahrestief gefallen. Sie war demnach elf Prozent niedriger als im Vorjahr. Dieser Widerspruch zur Preisentwicklung liegt demnach an der Zusammensetzung der Nachfrage. Denn die für die Goldpreisentwicklung letztlich entscheidende Nachfrage der Investmentprofis hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, wofür in erster Linie Zuflüsse in Gold-ETFs verantwortlich sind. ETF (»Exchange-traded Fund«) sind börsengehandelte Investmentfonds, die jedoch meistens kein Gold erwerben, sondern nur auf einen Index setzen.

Die Schmucknachfrage hat sich hingegen im zweiten Quartal halbiert, ebenso die Nachfrage der Zentralbanken. »Somit bestätigte sich«, so die Commerzbank am Donnerstag, »dass der Goldpreisanstieg der letzten Monate nahezu ausschließlich durch die ETF-Nachfrage getrieben wurde.« Damit kann jedoch schnell Schluss sein, wenn sich der weltwirtschaftliche Aufschwung fortsetzt.

Die Notenbanken kauften laut World Gold Council im zweiten Quartal gerade noch 115 Tonnen - 50 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. 2019 hatten einige Notenbanken, auch sie setzen in unsicheren Zeiten gerne auf Gold, wohl erheblich zum Preisanstieg beigetragen. Mit Goldkäufen von rund 600 Tonnen waren die Zentralbanken für etwa 15 Prozent der Gesamtnachfrage verantwortlich. Vor allem Russland tat sich bei Goldkäufen hervor, soll diese aber jetzt vollständig eingestellt haben. Da Notenbanken ihr Vermögen langfristig anlegen, dürfte der aktuelle Goldpreis für sie zu hoch sein. Doch der nächste Preisverfall kommt bestimmt.