Wahlkampf aus dem Golfclub

US-Präsident Trump beschließt per Dekret weitere Konjunktur- und Arbeitslosenhilfen. Doch womöglich ist dieses Vorgehen nicht erlaubt

  • John Dyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Als im vergangenen Monat außerordentliche Bundesleistungen für Dutzende Millionen arbeitsloser US-Amerikaner und Mieter, die von der Räumung bedroht waren, ausliefen, versäumte es die Politik, eine helfende Hand auszustrecken. Ende vergangene Woche verließen Abgeordnete die US-Hauptstadt Washington mit der Anweisung, schnell zurückzukehren, falls die Unterhändler im Kongress und im Weißen Haus eine Einigung über ein neues Konjunkturpaket erzielen sollten. Präsident Donald Trump schien diese Möglichkeit jedoch weniger wahrscheinlich zu machen, nachdem er zu einer Wahlkampfkundgebung in Ohio fuhr und dann für das Wochenende in eines seiner Golfresorts abreiste.

Unter dem Druck seiner immer schlechter werdenden Umfragewerte im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 3. November gelobte Trump, per Dekret weitere Hilfen zu erlassen. Am Samstag machte er damit ernst. Auf einer Pressekonferenz in seinem Golfclub in Bedminster im Bundesstaat New Jersey unterzeichnete Trump am Samstag vier Erlasse, die unter anderem eine Kürzung der Lohnnebenkosten und einen verlängerten Zuschlag zur Arbeitslosenhilfe vorsehen. So soll sich der Zuschuss zur Arbeitslosenhilfe auf 400 Dollar wöchentlich belaufen. Ein weiteres Dekret soll den Schutz von Mietern vor Zwangsräumungen sicherstellen, während ein vierter Erlass eine Fristverlängerung für die Rückzahlung von Studiendarlehen vorsieht. Auch versprach er Steuersenkungen im Falle seiner Wiederwahl.

Doch gibt es Bedenken, ob diese Erlasse vom Gesetz gedeckt sind. Nach der Verfassung der Vereinigten Staaten hat der Kongress die absolute Hoheit über Finanzfragen. So sprach Trumps Herausforderer, der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden, von einem »weiteren zynischen Trick« Trumps, der damit von seiner Verantwortung ablenken wolle. Das Land brauche stattdessen einen »wahren Anführer«, der in der Lage sei, eine Einigung mit dem Kongress zu erzielen.

Der Streit zwischen Demokraten und Republikanern brach aus, nachdem das im März verabschiedete Corona-Konjunkturpaket Ende Juli auslief. Dies beinhaltete Einmalzahlungen an US-Bürger in Höhe von 1200 US-Dollar, eine Anhebung der Arbeitslosenunterstützung um zusätzliche 600 US-Dollar pro Woche, ein Verbot von Zwangsräumungen, Erleichterungen für Hypothekenbesitzern und anderen Schuldnern sowie weitere Notfallmaßnahmen, um die Wirtschaft im Rahmen der Coronavirus-Sperre zu stützen.

Seit das Hilfspaket in Kraft trat, starben über 160 000 Menschen in den USA am Coronavirus. Die Arbeitslosigkeit lag im Juli bei 10,2 Prozent, fast ein Prozent weniger als im Vormonat. Dies spiegelt wider, wie die nordöstlichen Bundesstaaten ihre Infektionen reduzierten und einige Unternehmen wiedereröffneten. Es wird jedoch erwartet, dass die Arbeitslosigkeit wieder zunehmen wird, da das Virus sich besonders im Süden, im Mittleren Westen und in Kalifornien verstärkt ausbreitet.

Die Demokraten, die das US-Repräsentantenhaus kontrollieren, haben ein neues Hilfspaket in Höhe von 3,45 Billionen Dollar gefordert, das neue Einmalzahlungen, die Fortführung der zusätzlichen Arbeitslosenunterstützung, 100 Milliarden Dollar (85 Milliarden Euro) für bedürftige Schulen vorsieht. Auch soll Bundesstaaten und Kommunen geholfen, die wegen der Coronakrise in finanzielle Engpässe gerieten.

Das Weiße Haus und die Republikaner, die den US-Senat kontrollieren, haben sich jedoch gegen zusätzliche Ausgaben gesträubt. Sie sagten, dass zusätzliche Arbeitslosenunterstützung die Arbeitnehmer von der Arbeitssuche abhalten würde - obwohl viele Unternehmen geschlossen sind - und schlugen zusätzliche 200 Dollar pro Woche für Arbeitslosigkeit und Obergrenzen für Beihilfen vor, die 70 Prozent der Arbeitnehmergehälter entsprechen. Sie lehnten auch Beihilfen für Schulen und Kommunalverwaltungen ab und sagten, das Geld würde als Rettungspaket für Städte dienen, die von demokratischen Bürgermeistern regiert werden. »Ihre Städte gehen den Bach runter«, behauptete Präsident Trump kürzlich. »Wenn man sich Portland anschaut, schaut man sich an, was in Seattle, der von den Demokraten regierten Stadt, vor sich geht, ob es einem gefällt oder nicht, sie werden schrecklich regiert und sind immer überfordert. Sie besteuern sie also zu sehr und sie führen sie schlecht. Und das gefällt uns nicht.«

Am Freitag erklärte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, dass sie sich bereit erklärte hätte, ihren Vorschlag um eine Billion Dollar (850 Milliarden Euro) zu senken, wenn die Republikaner ihre Zahl um den gleichen Betrag erhöhen würden. Aber die Republikaner lehnten dies offenbar ab. »Ich habe ihnen gesagt, sie sollen wiederkommen, wenn sie bereit sind, uns eine höhere Zahl zu geben«, sagte Pelosi. »Dieser Virus ist wie ein Güterzug, der so schnell kommt, und sie reagieren wie ein Konvoi, der so langsam wie das langsamste Schiff fährt.«

Dabei müssen auch die Demokraten liefern. Sie sehen sich dem Druck ausgesetzt, den Wählern in schwer von der Corona-Pandemie getroffenen Staaten wie New York zu helfen, wo Millionen von Menschen seit Monaten nicht gearbeitet haben, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Aber die Republikaner stehen noch mehr unter Druck. Trump verliert weiter an Boden gegenüber seinem demokratischen Wahlgegner, dem ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden. Denn Trump wird heftig dafür kritisiert, dass er die Gefährlichkeit des Coronavirus in der Frühphase der Pandemie geleugnet und die Ausbreitung des Virus in den demokratischen Bundesstaaten an den Küsten der Vereinigten Staaten und in jüngster Zeit in den republikanisch geprägten Bundesstaaten im Süden auf sich sitzen gelassen hat. Einige Trump-Anhänger leugnen weiterhin die Gefahr des Virus.

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