Die beiden Übel des koreanischen Sommers

Nach 50 Tagen mit sintflutartigen Regenfällen droht nun eine extreme Hitzewelle. Beides ist auch Folge des Klimawandels

  • Fabian Kretschmer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Sommermonate in Südkorea sind traditionell von düsteren Wolken und anhaltenden Niederschlägen geprägt. Das Ausmaß der diesjährigen Regenzeit stellt jedoch alle vorherigen in den Schatten: Seit 50 Tagen schüttet es ununterbrochen in fast allen Regionen des Landes. Der Schaden lässt sich bereits in Zahlen messen, wie die Nachrichtenagentur Yonhap meldete: Mindestens 42 Südkoreaner sind in den Fluten gestorben oder gelten als vermisst, rund 8000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen, knapp 10 000 Hektar Farmland wurde zerstört.

Bei einer Notfallsitzung des Kabinetts am Donnerstag sprach Präsident Moon Jae-In vom schwersten Hochwasser in der Geschichte des Landes. »Das Leben und die Sicherheit der Menschen sind bedroht. Die diesjährige Regenzeit folgt einem bisher nie dagewesenen Muster. Sintflutartige Niederschläge haben sich in einem langen Zeitraum zwischen den zentralen und südlichen Regionen hin und her bewegt und kein Gebiet von Überschwemmungen ausgenommen.«

Das Ausmaß führen Experten auch auf den fortschreitenden Klimawandel zurück, von dem die koreanische Halbinsel besonders betroffen ist. Die Temperatur am Polarkreises ist in diesem Jahr höher als üblich, was in Südkorea im Sommer zu mehr Regen und zu mehr Hitze führt. Greenpeace schlägt zudem in einem aktuellen Papier Alarm: Spätestens 2050 würden Überschwemmungen wie derzeit zur Normalität werden, wobei auch der größte Flughafen des Landes in Incheon unter Wasser gesetzt wäre.

Die Überschwemmungen kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Südkorea mit seinen rund 50 Millionen Einwohnern hat die Coronakrise dank großer Anstrengungen gut gemeistert. Ohne Grenzschließungen und Lockdowns sind bislang nur rund 300 Menschen an dem Virus gestorben, die täglichen Neuinfektionen liegen seit Wochen im mittleren zweistelligen Bereich. Und unter allen OECD-Staaten wird Südkorea im laufenden Jahr wohl die höchste Wachstumsrate erzielen. Die Schäden durch das Hochwasser könnten dies nun aber ändern.

Dramatischer dürften die Folgen aber beim Nachbarn Nordkorea mit seiner fragilen Volkswirtschaft sein. Seit den schweren Hungersnöten der 1990er Jahre hat die Landbevölkerung die Waldbestände weitgehend gerodet, um das Holz während bitterkalter Winter zum Heizen zu nutzen. Nun sind jene Regionen besonders anfällig für Erdrutsche. Zudem könnten Ernteausfälle die Mangelernährung verschärfen. Laut den Staatsmedien ist vor allem die Provinz Nord-Hwanghae betroffen, die als Kornkammer gilt. Auf rasche Hilfslieferungen kann das Regime nur bedingt hoffen. Nordkorea hat sich seit dem Corona-Ausbruch vollständig abgeschottet, Hilfsorganisationen sind in ihrer Arbeit entweder eingeschränkt oder gleich aus dem Land abgezogen.

Der Washingtoner Denkfabrik »38 North« zufolge wurde auch die Nuklearanlage Yongbyon beschädigt, die zentral für das Atomprogramm des Landes ist. Die Überschwemmungen hätten die beiden Pumpenhäuser erreicht, die die Reaktoren warten, heißt es nach Auswertung von Satellitenfotos.

Für die koreanische Halbinsel ist zumindest ein Ende der Regenzeit in Sicht. Spätestens am Wochenende soll sich die Lage entspannen. Allerdings werden die Niederschläge direkt vom zweiten Übel des koreanischen Sommers abgelöst: Die Regierung in Seoul hat bereits flächendeckende Hitzewarnungen ausgesprochen.

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