»Verstörende Sequenzen«

Video von Polizeieinsatz in Düsseldorf: Beamter kniet auf Kopf und Nacken eines Jugendlichen

Ein Polizist kniet auf Kopf und Nackenbereich einer Person, die auf dem Boden fixiert und bewegungsunfähig ist: Eine solche Szene erinnert zwangsläufig an die polizeiliche Tötung des Afroamerikaners George Floyd.

In diesem Fall handelt es sich allerdings nicht um einen Vorfall in den USA, sondern in Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, Bundesrepublik. »Wir hatten gehofft, dass wir solche Bilder nach dem tragischen Tod von George Floyd in Deutschland niemals zu sehen bekommen würden«, erklärten am Montag die beiden SPD-Landtagsabgeordneten Sven Wolf und Hartmut Ganzke.

Die beiden Parlamentarier teilten mit, ihre Partei, in Düsseldorf in der Opposition, habe für Donnerstag eine aktuelle Viertelstunde in der Sitzung des Innenausschusses des Landtags zu dem Vorfall beantragt. Sie fordert Aufklärung über die Umstände eines Polizeieinsatzes in der Landeshauptstadt am vergangenen Wochenende, der, seit ein Video davon über die sogenannten sozialen Medien verbreitet wurde, bundesweit für Empörung sorgt. Wolf und Ganze zeigten sich ebenfalls schockiert: »Das Video, das im Netz von dem Einsatz gegen einen Minderjährigen kursiert, zeigt mehr als verstörende Sequenzen.«

»Auch ich habe mich erschrocken«, erklärte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montag. Der Vorfall werde »sehr ernst genommen«. Falls es ein Fehlverhalten eines oder mehrerer Polizisten gegeben habe, werde dem »konsequent nachgegangen«. Nach Reuls Darstellung sind Knie und Schienbein »auf Ohr und Schädel« grundsätzlich durch die Einsatzvorgaben der Landespolizei gedeckt gewesen, nicht jedoch auf dem Hals.
Gegen den Polizisten, der auf dem Kopf des 15-Jährigen kniete, wird laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf nun wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt.

Auch gegen den Jugendlichen liege eine Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt vor. Er soll nach Polizeiangaben einen Einsatz gestört und einen Streifenpolizisten tätlich angegriffen haben. Nach Angaben von Innenminister Reul wurde er danach zu Boden gebracht, gefesselt und zum Streifenwagen gebracht. Dies sei in einem Zeitraum von zwei bis drei Minuten geschehen. Aus Neutralitätsgründen hat die Polizei Duisburg die Ermittlungen übernommen. Der Beamte mache laut Ministerium bis auf weiteres Innendienst.

Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Kriminologin und früher selbst Polizistin in NRW, kritisiert den Düsseldorfer Einsatz. »Es ist absolut richtig, dass dieser Vorfall untersucht wird«, sagte sie der »Rheinischen Post«. Ein Urteil sei aber erst möglich, wenn die Gesamtumstände bekannt seien. Nach den Ereignissen in den USA könne sie aber nicht nachvollziehen, dass »sich ein Polizist auf den Kopf-Hals-Bereich einer Person kniet – er muss wissen, dass das lebensbedrohlich sein kann.« Mit Agenturen

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal