Freie Kita-Träger schlagen Alarm

In Berlin müssten dringend neue Betreuungsplätze geschaffen werden, aber die Finanztöpfe sind leer

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

»Auf die Plätze, Kitas, los!« nennt sich das Berliner Landesprogramm, mit dem der Senat die Schaffung neuer Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen finanziert. Für viele in diesem Zusammenhang geplanten Neubau- und Sanierungsprojekte wird es aber bis auf Weiteres mitnichten losgehen können. Denn die für den Kita-Ausbau bereitgestellten Mittel für 2020 und 2021 sind bereits jetzt ausgeschöpft.

»Die Nachricht hat viele unserer Mitglieder geschockt«, sagt Sabine Radtke, Referentin für Kindertagesstätten beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin. In ihrem Verband sind 120 freie Kita-Träger organisiert, die zusammen mehr als ein Viertel der berlinweit 170 000 Betreuungsplätze bereitstellen. Dass die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Ende Juli erklärte, für das laufende Jahr keine Anträge mehr anzunehmen, weil der entsprechende 68-Millionen-Euro-Topf weitere Projekte nicht mehr zulasse, sei ja »erwartbar« gewesen, so Radkte zu »nd«. Für lange Gesichter habe aber der Zusatz gesorgt, dass »auch für 2021 eine Vornotierung von Projekten aus den vorliegenden Anträgen vorgenommen wird«. Soll heißen: Träger, die bis Ende Juli keinen Antrag eingereicht haben, können erst ab 2022 mit Geldern rechnen. Bereits angeschobene Projekte müssen somit auf Eis gelegt werden.

Nicht nur der Paritätische schlägt jetzt Alarm. Auch die Industrie- und Handelskammer und die Fachgemeinschaft Bau warnen davor, beim Kita-Ausbauprogramm eineinhalb Jahre lang die Schotten dichtzumachen - obgleich die beiden Interessenvertreterinnen der Wirtschaft eher die Sorge vor ausbleibenden Bauaufträgen umtreibt denn die vor übervollen Kitas.

Insbesondere Letzteres dürfte sich jedoch bald zu einem handfesten Problem auswachsen. Der Paritätische geht davon aus, dass entsprechend der neue Bevölkerungsprognose in den kommenden vier Jahren bis zu 25 000 neue Kita-Plätze benötigt werden.

»Ich kann heute die Zahlen weder bestätigen noch dementieren«, so Iris Brennberger, Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), zu »nd«. In der Senatsverwaltung werte man die Bevölkerungsprognose aktuell noch aus. Klar sei aber auch ihrem Haus, dass der Bedarf an Kita-Plätzen kräftig wächst. »Schon deshalb brauchen wir dringend mehr Betreuungsplätze.« Scheeres’ Sprecherin verweist zudem auf die vom Bund zugesagten Gelder im Rahmen des Corona-Folgen-Paketes, von denen 48 Millionen Euro für den Kita-Ausbau abgezweigt werden sollen. »Wir rechnen damit, dass erste Gelder im Oktober fließen werden.«

Alles schön und gut, sagt Sabine Radtke: »Aber auch mit den Bundesmitteln wird die zu erwartende Versorgungslücke nicht zu schließen sein.« Um die zu verhindern, müsste nach Berechnungen des Paritätischen das Programm »Auf die Plätze, Kitas, los!« in den kommenden drei Jahren mit jährlich mindestens 120 Millionen Euro ausgestattet werden.

Dass in Berlin seit Scheeres’ Amtsantritt 2011 insgesamt 45 000 neue Kita-Plätze öffentlich gefördert worden sind, will Radtke dabei gar nicht kleinreden. »Man muss Frau Scheeres zugutehalten, dass sie viel Geld locker gemacht hat. Aber wir hatten darauf gebaut, dass es so jetzt auch weitergeht.« Dass Kitas »systemrelevant« seien, dürfte mittlerweile dem Letzten klar geworden sein. »Scheeres, aber vor allem Finanzsenator Matthias Kollatz müssen hier Prioritäten setzen.«

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