Auch große Städte leiden unter leeren Läden

Bremer Senat beschließt Aktionsprogramm zum Beleben der Innenstadt - reichen 13 Millionen Euro dafür aus?

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.

Wieder einmal macht ein Laden dicht im niedersächsischen Dannenberg, weil die Inhaberin keinen Nachfolger findet. Wieder mal bereitet der »Online-Trend« einem Einzelhändler schmerzliche Umsatzeinbußen in jener Kommune. Etwa 8500 Einwohner hat sie, bemüht sich mit allerlei Marketing-Aktivitäten um »Lebendigkeit«. Grund aber, neidisch auf die Metropolen zu schauen, mutmaßend, dass dort mehr Leben herrscht, haben kleine Orte wie Dannenberg nicht. Denn auch Großstädte leiden unter »Schwund« in ihren Zentren, beispielsweise Bremen, das knapp 800 000 Menschen in seinen Grenzen zählt.

»Wir wollen ein Klima schaffen, durch das möglichst wenige Geschäfte schließen müssen«, hatte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) unlängst die Ziele eines Aktionsprogramms umrissen, das der Senat der Hansestadt am Dienstag per Beschluss auf den Weg gebracht hat. Mit diesem Konzept soll vor allem den negativen Auswirkungen der Coronakrise auf die Entwicklung der Innenstadt begegnet werden. Das Sterben vertrauter, inhabergeführter Läden und die daraus folgenden Leerstände bereiten zunehmend Sorgen.

Bremen möge künftig nicht allein zum »Shopping« einladen, sondern durch »einen breiten Mix aus Funktionen und Nutzungen« attraktiv werden für Einheimische und Besucher. So wünschen es sich die Macher des 51 Seiten starken Programms. Seine Punkte sollen mit dazu beitragen, dass die Innenstadt zwar weiter Ziel des einkaufenden Publikums ist, dem es aber auch gefallen soll, darüber hinaus ein Weilchen, vielleicht auch länger in der City zu bleiben.

In ihr solle »mehr Aufenthaltsqualität« geboten werden, betonte Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) am Dienstag vor Journalisten. Möglichkeiten zum Ausruhen, Sitzgelegenheiten, gehören ebenso dazu wie mehr Grün in der Fußgängerzone und Maßnahmen, die das Erreichen der Innenstadt erleichtern, unter anderem mit Fahrrädern. Für deren Nutzer werden eigens Gepäckschließfächer eingerichtet, sagte Schaefer. Des Weiteren stehen mehr öffentliche Toiletten auf der Agenda, ebenso mehr Sauberkeit. Zusätzliche Mülleimer werden dafür installiert, kündigte die Senatorin an und auch, dass »Verschmutzer« der City mit Verwarngeld rechnen müssen.

Für wichtig im Bemühen um eine lebendige Innenstadt erachtet das Bremer Konzept öffentliche Veranstaltungen, die im Rahmen der zurzeit geltenden Corona-Beschränkungen ausgerichtet werden können. Der Domshof, ein mehrere Zehntausend Menschen fassender Platz, soll dabei »eine tragende Rolle spielen«, hob Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linkspartei) auf der Pressekonferenz zur Präsentation des Programms hervor. Er könnte für Filmvorführungen, Konzerte, Lesungen oder auch zum Public Viewing von Fußballspielen auf einer Großbildleinwand genutzt werden.

Eine der schwierigsten Aufgaben für diejenigen, die das Aktionsprogramm umzusetzen haben, dürfte das Beleben der bereits leer stehenden oder vom Leerstand bedrohten Einzelhandelsgeschäfte werden. Solche Läden, ist dem Programm zu entnehmen, könnte die Stadt anmieten und sie an Interessierte weitervermieten, die darin aktiv werden wollen: Kunstschaffende etwa, Wirte oder andere ideenreiche Menschen, die den »Traum vom eigenen Geschäft« womöglich mit einer originellen Angebotspalette verwirklichen möchten. Es sei daran gedacht, so die Wirtschaftssenatorin, Wettbewerbe für die Nutzung leerer Läden auszuschreiben.

Immobilieneigentümern gab Kristina Vogt zu bedenken, dass sie sich auf sinkende Mieten einstellen müssten, weil sich »die Zeiten geändert haben, nicht nur in Bremen«. Auch müsse es in Betracht gezogen werden, schon länger leer stehender innerstädtischer Büroflächen in Wohnraum umzuwandeln, unterstrich die Politikerin.

Und was wird dies alles kosten? Während einer »City-Gipfel« betitelten Diskussionsrunde zur Zukunft der Stadt hatte Bürgermeister Bovenschulte von rund zehn Millionen Euro gesprochen. Geld, das aus dem 1,2 Milliarden Euro starken »Bremen-Fonds« kommen soll. Seine Aufgabe ist es, die Stadt beim Bewältigen der Coronakrise zu helfen. Inzwischen hat sich allerdings herausgestellt, dass das Aktionsprogramm wohl 13,2 Millionen Euro teuer wird. Schon jetzt sind Stimmen aus der Wirtschaft und von Stadtentwicklern zu hören, die bezweifeln, dass diese Summe ausreichen wird, um die Innenstadt, wie angestrebt, effektiv zu beleben.

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