Wieder im Pausenmodus

Tarifverhandlungen zwischen Eisenbahnergewerkschaft EVG und Deutsche Bahn stecken fest

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Mittwochabend vermeldete die DGB-Gewerkschaft EVG, die Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn AG (DB) seien erneut unterbrochen. »Wir wollen die erzielten Zwischenergebnisse in Ruhe bewerten und mit unseren Gremien diskutieren«, erklärte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch. Es sei »wichtig, dass wir alle mitnehmen, müssen doch am Ende unsere Tarifkommissionen grünes Licht geben«, so der Gewerkschafter. Er machte deutlich, dass es noch hohe Hürden vor einem Abschluss gibt: »Wir haben noch einiges vor uns.«

Diese Vorsicht ist auch der Tatsache geschuldet, dass - zur Verwunderung vieler EVG-Mitglieder - die Tarifverhandlungen kurzfristig, außerplanmäßig und mitten im Hochsommer anberaumt wurden. Eigentlich endet die Laufzeit der bestehenden Tarifverträge zwischen Gewerkschaft und Bahnkonzern erst Ende Februar 2021.

Die Eile ist eine Folge des Ende Mai von Bundesregierung, DB-Vorstand, Konzernbetriebsrat und EVG-Vorstand abgeschlossenen Paktes mit dem Titel »Bündnis für unsere Bahn«. Hintergrund sind drastische Einbrüche und Verluste des Bahnkonzerns durch die Coronakrise.

In dem Papier verpflichtete sich der Konzernvorstand, auf einen Stellenabbau zu verzichten und wie geplant an Neueinstellungen festzuhalten. Die Bundesregierung sagte zu, weiterhin die bereits beschlossenen In-frastrukturinvestitionen im Eisenbahnbereich bis 2030 zu finanzieren. Als Eigentümerin der DB drängte sie die Bahnchefs gleichzeitig zu einem finanziellen Beitrag der »Tarifpartner«. In diesem Sinne sagte die EVG zu, »diese Vereinbarungen durch Tarifverhandlungen zu flankieren, damit die Vereinbarungen wirksam werden«.

DB-Chef Richard Lutz hatte Ende Juli bei einer Pressekonferenz die »Einsparung von Personal- und Sachkosten in Höhe von vier Milliarden Euro bis 2024« angekündigt und auf eine »Untermauerung und Konkretisierung« gedrängt. Die Lokführergewerkschaft GDL war dem Bündnis ferngeblieben.

Die EVG steht nun von mehreren Seiten unter Druck. Viele Eisenbahner, die in Corona-Zeiten den Betrieb aufrecht hielten und daher als »systemrelevant« gelten, sind nicht bereit, schlechtere Arbeitsbedingungen und Lohnopfer hinzunehmen. Man werde »frühzeitig Sorge dafür tragen, dass die Lasten der Corona-Pandemie nicht unseren Kolleginnen und Kollegen aufgebürdet werden«, sagte Loroch Anfang vergangener Woche. Man werde »weder dem Bund noch der DB AG einen Blankoscheck ausstellen«. Insider vermuten, dass es im Tauziehen hinter den Kulissen um Nullrunden oder um äußerst niedrige Lohnabschlüsse gehen könnte, die bestenfalls die offizielle Inflationsrate ausgleichen und eine außerordentlich lange Laufzeit von mehreren Jahren haben sollen.

Die EVG hatte die Verhandlungen bereits Ende vergangener Woche für mehrere Tage unterbrochen und mit einem Scheitern gedroht. Als Begründung dienten Pläne zur Veränderung des Geschäftsmodells der Güterverkehrstochter DB Cargo, die eigentlich schon seit längerem schriftlich fixiert und bekannt sind. Demnach sollen Gütertransporte von der Deutschen Bahn nur noch in Eigenleistung erbracht werden, »wenn mit den eigenen Ressourcen und eigenen Strukturen eine wirtschaftliche und qualitativ passende Leistung erbracht werden kann«. Andernfalls strebt das DB-Cargo-Management an, Transportleistungen »bei externen Partnern auf der Straße und der Schiene« einzukaufen.

Bei den Gewerkschaftern löste dies Ängste vor einem verstärkten Schrumpfkurs der finanziell angeschlagenen Güterbahn aus, mit Verlust von Arbeitsplätzen, Fremdvergaben und Prekarisierung.

Solche Vorhaben widersprächen den Vereinbarungen des Bündnisses, das sich zu einer Stärkung der Eisenbahn bekennt, und senkten den Anteil der Schiene am gesamten Güterverkehrsaufkommen weiter, warnt EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel. Statt Abbau müsse DB Cargo »mit eigenen Kapazitäten und mehr Personal wachsen«, so der Gewerkschafter. Er verlangt nun von Bund und DB-Vorstand eine Klärung.

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