Mehr Tests bedeuten mehr Infizierten-Zahlen

Falsch-positive Ergebnisse sind eher selten

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Debatte um die derzeit wieder steigende Zahl mit Sars-CoV-2 neu Infizierten wird zuweilen angezweifelt, ob die verwendeten Tests tatsächlich die Infektion mit dem konkreten Erreger anzeigen und ob es nicht eine größere Zahl falsch-positiver Befunde gebe. Ob also nicht zu viele Personen fälschlich für infiziert gehalten werden. Immerhin wurden die zum Nachweis akuter Infektionen verwendeten PCR-Tests nicht dafür entwickelt, nachzuweisen, ob jemand erkrankt ist oder ob er infektiös ist. Mit dem PCR-Verfahren werden »nur« charakteristische Bestandteile des Virus-Erbguts nachgewiesen.

Und das können die bei einem Ringtest überprüften deutschen Labors ziemlich gut. Sie schnitten unter 463 Labors aus über 30 Ländern sehr gut ab. In 99 Prozent der Fälle erkannten sie Viren (Sensitivität) und in 98 Prozent auch das korrekte Virus (Spezifität). Bei einem solchen Ringtest bekommen alle Labors identische Proben zur Auswertung zugeschickt. Marc Lütgemann, Mikrobiologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, wird vom ZDF mit der Aussage zitiert, dass die reale Genauigkeit noch höher ausfallen dürfte. Denn bei den Ringtests nehmen auch Labors teil, die das bislang gar nicht gemacht haben und so »möglicherweise den Schnitt verderben«.

Wenn das Robert-Koch-Institut (RKI) erklärt, dass falsch positive Ergebnisse »nach derzeitigen Erkenntnissen nur selten« vorkommen, dann wird das auch durch die aktuellen Zahlen gestützt. Denn obwohl die Zahl der wöchentlich erfassten Tests seit Beginn der Pandemie stark gestiegen ist, ist der Anteil der positiven Resultate nach dem Höhepunkt in der Kalenderwoche 14, die bis Anfang April reichte, deutlich gesunken. Dabei sind auch Mehrfachtestungen von Menschen enthalten.

Gleichwohl sind auch diese Tests fehleranfällig. So kann schon bei der Probenentnahme eine ungünstige Stelle im Rachen getroffen oder die Probe nicht sachgemäß transportiert worden sein. Auch der Zeitpunkt der Probenentnahme ist entscheidend. Zu kurz nach der Infektion sind womöglich noch nicht genügend Viren im Rachen vorhanden. Nach dem ersten Auftreten von Erkrankungssymptomen wiederum sind vermehrungsfähige Viren nur noch einige Tage in den Abstrichen nachweisbar. Frühere Vergleichsuntersuchungen zeigen denn auch einen Anteil von zwei bis 29 Prozent falsch negativen Ergebnissen des ersten Tests. Zudem haben einige Tests durchaus Schwierigkeiten mit sehr kleinen Virusmengen.

Wenn man also mehr testet, werden verstärkt auch Menschen mit mildem oder gar asymptomatischen Verlauf der Infektion erfasst. Mit dem PCR-Verfahren kann das Virus bereits zwei bis drei Tage vor dem Auftreten der ersten Symptome nachgewiesen werden. Insofern bedeuten mehr Tests auch größere Infektionszahlen.

Bleibt die Frage, warum - anders als im Frühjahr - mit der Zahl der Infektionen nicht auch die Zahl der schwer Erkrankten und Toten steigt. Der Virologe Florian Krammer von der Icahn Medical School in New York macht da eine einfache Rechnung auf. Nach der Infektion dauert es eine Woche, bis erste Symptome auftreten. Erst wenn es schlimmer wird, kommt man ins Krankenhaus. Das alles dauert. Er nennt als Beispiel die zweite Welle im Iran. Erst drei bis vier Wochen, nachdem sich zumeist jüngere Menschen infiziert hatten, kam es zu einem starken Anstieg der Todesfälle - quer durch alle Altersstufen.

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