Massage für gestresste Väter

Der Aktionstag Alleinerziehende in Lichtenberg rückt Ein-Eltern-Familien in den Mittelpunkt

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Jacqueline Teschler kommt seit 2016. »Wir waren schon im alten Familienzentrum, das neue ist ein ziemlicher Betonklotz«, lächelt die 27-Jährige. Teschler sitzt am Freitagnachmittag im Garten des Familienzentrums Berliner Familienfreunde in der Lichtenberger Dolgenseestraße. Ihre siebenjährige Tochter spielt eifrig im Sandkasten. Gleich kommt die Clownsfrau, auf die die zehn Kinder schon aufgeregt warten, die zwischen Außenbereich und dem großen, freundlichen Innenraum, in dem es mit Bastelecke, Luftballons und Kuchenbüffet nach einer großen Geburtstagsparty aussieht, hin- und herwuseln.

Es ist kein gewöhnlicher Nachmittag so kurz vor dem Wochenende. An diesem Freitag gibt es hier im Rahmen des Aktionstags Alleinerziehende, der noch an zwölf weiteren Standorten im Bezirk unter Corona-Bedingungen stattfindet, Angebote nur für Ein-Eltern-Familien. Zehn Mütter und Väter können mit ihren Kindern die Räume ganz für sich in Anspruch nehmen, Melone und Kuchen essen, Kaffee trinken oder auch auf ein ganz besonderes Angebot zurückgreifen: eine kostenlose Entspannungsmassage. Das Netzwerk Alleinerziehende hat den Tag zusammen mit dem Bezirk zum zweiten Mal organisiert, um gesondert auf deren Bedürfnisse einzugehen. Das heißt vor allem: den Eltern die Möglichkeit geben, die Kinder in Betreuung zu geben und sich selbst einmal um ihre Bedürfnisse zu kümmern.

Moira Voßloh, Sozialarbeiterin in der Dolgenseestraße, hat aus diesem Grund zusammen mit ihrer Kollegin ihr Büro an diesem Nachmittag in einen Massageraum verwandelt. Der Duft nach ätherischen Ölen, Kissen und die Lichterkette sorgen im abgedunkelten Raum tatsächlich für eine gemütliche Atmosphäre. Der zum Anlass eingeladene Masseur macht gerade Pause.

Voßloh ist froh, dass es gelingt, die anwesenden Familien einmal so in den Mittelpunkt zu stellen. »An sich kommen nicht so viele Alleinerziehende zu uns, zumal wir hier immer sehr voll sind, im Winter stehen die Leute manchmal richtig Schlange«, berichtet die Sozialarbeiterin. Und erzählt, wie schwer es für viele Familien seit einigen Monaten ist, sich angesichts der reduzierten Möglichkeiten im Zentrum zu organisieren - auch hier gelten die Abstandsregeln zur Eindämmung des Coronavirus.

In Lichtenberg gibt es so viele Alleinerziehende wie in keinem anderen Bezirk: 40 Prozent der Eltern meistern hier ihren Alltag ohne Partner oder Partnerin. So wie Jacqueline Teschler. Die junge Mutter wohnt gleich um die Ecke. Zu ihrer Familie habe sie kaum Kontakt, erzählt sie. Eine Oma hat ihre Tochter trotzdem, denn über den Verein haben sie eine rüstige Köpenickerin gefunden, die, vermittelt als »Patenoma«, nun einmal in der Woche kommt oder die zwei Teschlers mit dem Auto in den eigenen Garten fährt, Ausflüge organisiert - was Omas eben so machen.

Was für die einen die Großelternpatenschaft ist, ermöglicht den anderen die seit 2017 vom Netzwerk Alleinerziehende koordinierte flexible Kinderbetreuung im Bezirk, der mit diesem Angebot seit 2017 berlinweit vorangegangen ist. Das Angebot soll keinen Kita-Ersatz darstellen, aber Eltern tatsächlich entlasten. Bei akutem Bedarf oder auch stundenweise werden dabei von Einrichtungen wie dem Familienzentrum Dolgenseestraße Einzeltermine, Hol- und Bringdienste sowie die Kinderbetreuung im eigenen Haushalt ermöglicht.

Auch in der Eitelstraße im Weitlingkiez ist dieses Angebot am stärksten nachgefragt, erklärt Thorsten Siebert. Siebert steht rauchend mit zwei Kollegen vor dem »JuFaZ«, dem Jugend- und Familienzentrum, in der Sonne. Der Freitagnachmittag für die Lichtenberger Alleinerziehenden geht schon langsam zu Ende. Wirklich viel los sei nicht gewesen, berichten die Sozialarbeiter. Das liege zum einen am schönen, warmen Wetter, zum anderen aber auch daran, dass das »JuFaZ« sonst zum größten Teil von Jugendlichen genutzt werde. Für die werde man dann wohl den übrig gebliebenen Pflaumenkuchen einfrieren, schmunzeln die Männer.

»Wir werden von Familien hier im Kiez nicht so sehr als Ort wahrgenommen, der sich auch an sie richtet«, meint Siebert. An den Vormittagen gebe es aber viele Gruppen, die von Eltern mit sehr kleinen Kindern besucht werden. Was aber eben sehr gut laufe, sei die flexible Kinderbetreuung für Alleinerziehende, die immer mehr nachgefragt werde.

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