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Corona-Wahlen

In NRW geben sich Bundespolitiker vor der Wahl neuer Oberbürgermeister, Stadt- und Kreisparlamente die Klinke in die Hand

Es sind die größten Wahlen, die in diesem Jahr stattfinden: Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Rund 14 Millionen Menschen bestimmen, wie ihre Bezirksvertretungen, Stadträte oder Kreistage in der Zukunft aussehen sollen. Und es werden neue Oberbürgermeister gewählt. Politisch Interessierte aus dem ganzen Bundesgebiet blicken in diesen Tagen auf das bevölkerungsreichste Bundesland. Die Wahl gilt als Stimmungstest für das Corona-Management der Parteien und für den möglichen Ausgang der Bundestagswahl in einem Jahr.

Laut dem vergangene Woche veröffentlichten Landestrend des WDR verliert die CDU (34 Prozent) an Zustimmung. Mit 22 Prozent wären die Grünen derzeit zweitstärkste Kraft, die SPD folgt mit 21 Prozent dicht dahinter. Trotzdem ist es ein Debakel für die Partei, die nun seit 1990 in jedem Jahrzehnt rund zehn Prozent verloren hat. Die Linke stagniert bei vier, AfD und FDP bei jeweils sieben Prozent. Die Grünen greifen nach den Oberbürgermeisterposten und streben teilweise explizit schwarz-grüne oder grün-schwarze Bündnisse an. Für Ministerpräsident Armin Laschet hängt viel davon ab, dass die CDU stabil bleibt, schließlich will er CDU-Bundesvorsitzender werden. Die SPD wiederum kämpft um ihre einstigen Hochburgen. Aus diesen Gründen sind derzeit Politiker der ersten Reihe aller Parteien in den Städten an Rhein und Ruhr auf Tour.

In Wuppertal waren beispielsweise allein seit dem vergangenen Donnerstag Grünen-Chefin Annalena Baerbock, NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans, FDP-Chef Christian Lindner und für die Linke Gregor Gysi und Oskar Lafontaine zu Gast.

Lafontaine forderte ein Ende von Hartz IV, armutsfeste Renten und höhere Steuern für Reiche. Reul sprach über seine Bilanz als Innenminister, teilte gegen kurdische Demonstranten, Umweltaktivisten im Hambacher Forst und Raser am Steuer aus. Bei der gesamten Wahlkampfveranstaltung mit Reul wurde indes nur in einem Satz auf den Wuppertaler Oberbürgermeisterkandidaten Uwe Schneidewind eingegangen.

Dabei soll der renommierte Klimawissenschaftler mit Bundesverdienstkreuz ein grün-schwarzes Projekt voranbringen. Der 54-Jährige ist Mitglied der Grünen und tritt gegen SPD-Amtsinhaber Andreas Mucke an. Aktuell liegt er in Umfragen mit 44 Prozent zwei Punkte vor Mucke. Doch die CDU fremdelt mit ihm. Bodo Löttgen, Chef der CDU-Fraktion im Landtag, spricht sogar bei einer Veranstaltung der FDP und attestiert deren Kandidaten Marcel Hafke das »Rüstzeug« für das Oberbürgermeisteramt zu haben. Dabei kam Hafke in der letzten Umfrage zur OB-Wahl gerade mal auf vier Prozent der Stimmen und lag damit noch hinter dem Linke-Kandidaten Bernhard Sander (5 Prozent).

Favorit Schneidewind tritt folgerichtig auf Veranstaltungen der eigenen Partei auf, zum Beispiel zusammen mit deren Chefin Annalena Baerbock in einem alten Gaskessel, der jetzt eine Eventlocation ist. Bei Prosecco und Wein gibt es Wohlfühlprogramm fürs grüne Herz. Baerbock erzählt, wie wichtig Schneidewinds Buch »Die Große Transformation« für die Arbeit am Grundsatzprogramm der Grünen gewesen sei. Schneidewind erklärt, wie er seinen Zielen mit Kommunalpolitik näher kommen will. In einer Diskussion mit dem Linke-Kandidaten Sander nennt Schneidewind das von den Grünen vorgeschlagene Bürgerticket, das über eine Abgabe finanziert werden soll, »radikal«. Bei der autofreien Innenstadt, wie sie die Grünen bis 2030 fordern, setzt Schneidewind hingegen nur auf Freiwilligkeit in einzelnen Quartieren. Auch zu einer Umweltspur quer durchs Wuppertal kann sich Schneidewind nicht durchringen - wohl, weil die CDU dagegen ist. Die »Große Transformation« dürfte also etwas kleiner ausfallen, auch wenn der Klimaforscher immer wieder damit angibt, beste Kontakte in die deutsche und europäische Politik zu haben.

Ein bisschen kleiner fällt auch bei der SPD vieles aus. Für den Besuch des Bundesvorsitzenden Norbert Walter-Borjans ist die Partei nicht auf einen großen Platz gegangen. Corona-bedingt gibt es, typisch für diesen Wahlkampf, eine Onlineveranstaltung, aufgezeichnet in einem griechischen Restaurant. Knapp 20 Menschen schauen online zu, wie »Nowabo« mit dem amtierenden OB Andreas Mucke und Wuppertaler Genossen über Fußball, Steuerfahndung und den positiven Einfluss der SPD in der Großen Koalition in Berlin spricht. Ein gemütlicher Plausch. Wer in Wuppertal künftig regiert, das wird wohl erst eine Stichwahl am letzten Septemberwochenende entscheiden.

Ähnlich sieht es auch in Dortmund, Düsseldorf und Aachen aus. In vielen anderen Städten liegen die Amtsinhaber, die oft für ihren Corona-Kurs gelobt werden, klar in Führung. Dagegen konnte die AfD kaum Akzente setzen. Auf vielen Podien fehlt die rechte Partei, weil sie keine OB-Kandidaten aufgestellt hat. Und auch auf manchem Wahlzettel für die Stadträte wird sie nicht auftauchen. Interne Streitigkeiten führten an mehreren Orten dazu, dass sie nicht antritt.

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