nd-aktuell.de / 23.09.2020 / Politik / Seite 5

Die UNO feiert, nicht jeder kommt

Zum 75. Jubiläum der Vereinten Nationen werden Reformen gefordert. Es droht ein neuer Kalter Krieg

Alexander Isele

Gleich zwei dunkle Wolken warfen ihre Schatten auf die Feierlichkeiten zum 75. Gründungsjubiläum der Vereinten Nationen (UN) am Montag und deren beginnenden Generaldebatte am Dienstag: die Corona-Pandemie sowie die Gefahr eines neuen Kalten (oder gar heißen) Krieges zwischen den USA und China. Während Sars-CoV-2 die Regierenden der Welt dazu zwingt, ihre Reden aufgezeichnet abzuhalten, liegt der Fokus vor allem auf dem angespannten Verhältnis der beiden Supermächte. Dass die USA unter Präsident Donald Trump skeptisch, wenn nicht gar feindlich gegenüber multilateralen Organisation sind und sich aus immer mehr Mitgliedschaften, Verträgen und Verpflichtungen zurückziehen, steht im scharfen Kontrast zu China, das unter Präsident Xi Jinping seine Mitarbeit in internationalen Organisationen kontinuierlich ausweitet.

Zum Auftakt der Generaldebatte am Dienstag warnte UN-Generalsekretar António Guterres vor einem Kalten Krieg zwischen den USA und China. »Wir bewegen uns in eine sehr gefährliche Richtung. Unsere Welt kann sich keine Zukunft leisten, in der die beiden größten Volkswirtschaften die Erde spalten«, sagte Guterres.

Tags zuvor hatte Xi in seiner Gratulationsrede zum UN-Jubiläum gefordert, dass die Großmächte der Welt das Völkerrecht respektieren und Doppelmoral vermeiden sollten. »Die Mentalität des Kalten Krieges, die ideologischen Linien oder das Nullsummenspiel sind keine Lösung für das eigene Problem eines Landes und noch weniger eine Antwort auf die gemeinsamen Herausforderungen der Menschheit«, sagte Xi, der per Video zugeschaltet wurde. »Der Unilateralismus ist eine Sackgasse.«

International steht China stark in der Kritik. Es sind nicht nur die sich verschlechternden Beziehungen zwischen den USA und China in Bezug auf das Coronavirus, Handel und Menschenrechte, sondern auch eine wachsende Liste von Streitigkeiten zwischen Peking und seinen vielen Nachbarn über Gebietsansprüche sowie steigenden Spannungen mit Ländern, die so weit entfernt sind wie Kanada und die Tschechische Republik, die Xis Worte von internationaler Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt zumindest mindern.

Trump hingegen machte gleich zum Jubiläums-Festakt deutlich, was er von der UNO und von internationaler Kooperation hält: Er ließ sich am Montag durch die stellvertretende amerikanische UN-Botschafterin Cherith Norman Chalet vertreten. Bereits am Wochenende hatten die US-Regierung in einem umstrittenen Alleingang erklärt, dass alle UN-Sanktionen gegen den Iran wieder gültig sind - sie waren nach dem Abschluss des internationalen Atomabkommens von 2015 ausgesetzt worden. Aus diesem Vertrag waren die USA vor zwei Jahren allerdings ausgetreten, die überwiegende Mehrheit des zuständigen UN-Sicherheitsrates samt Deutschland und den übrigen Vetomächten sieht die USA deshalb nicht in der Lage, die Wiedereinsetzung der Sanktionen zu erzwingen.

In ihrem Grußwort zum Jubiläum kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel nationale Alleingänge statt internationaler Konfliktlösungen. Ohne die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien zu nennen, sagte sie, dass die Vereinten Nationen zu oft »hinter ihren Idealen zurückbleiben, weil immer wieder Interessen einzelner Mitglieder verhindern, dass das Ordnungssystem so funktioniert, wie es müsste«. Sie fügte hinzu: »Doch wer meint, allein besser zurechtzukommen, der irrt.«

Deutschland sei bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen, sagte Merkel und forderte Reformbereitschaft. Die Corona-Pandemie oder die Kriege in Libyen zeigten, dass globale Probleme über Ländergrenzen hinweg und auf allen Ebenen Verständigung und Zusammenarbeit erfordern, sagte Merkel weiter. Deutschland könne mehr Verantwortung übernehmen, »gerne auch in einem erweiterten Sicherheitsrat«. »Die Vereinten Nationen können letztlich nur so gut sein, wie ihre Mitglieder sich einig werden«, so die Bundeskanzlerin. »Zu oft ist der UN-Sicherheitsrat blockiert, wenn es auf klare Entscheidungen ankommt. Wir brauchen Reformen.« Die UN müssten sich weiterentwickeln, um die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können.

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