nd-aktuell.de / 29.09.2020 / Sport / Seite 16

Hajduk lebt ewig

Der erste Teil der neuen Koumne BALLHAUS OST widmet sich einem kroatischen Traditionsverein

Frank Willmann

Wer wie ich mit den »Digedags« und der »fuwo« die Welt entdeckt hat, wird bei den Worten Dalmatien und Hajduk Split fröhlich mit den Ohren wackeln. Im »Digedag«-Comic gerieten die Helden samt Ritter Runkel in Dalmatien mit den Teufelsbrüdern um Enterhaken-Ali aneinander. Die romantischen Hajduki hingegen trieben in unseren Abenteuerbüchern fröhlich ihre urst groben Scherze: Helden!

In der »fuwo« fand ich in den 1970er Jahren Sehnsuchtsorte künftiger Weltreisen. Hajduk Split - das klang so viel besser als Fortschritt Krumhermersdorf oder Empor Klein Wanzleben. Was ich damals noch nicht wusste: Hajduk Split wurde 1911 in der Prager Bierkneipe U Fleků gegründet. So einen Klub musste man einfach lieben!

Leider hat der Fußballkapitalismus Vereinen wie Hajduk Split längst jede Möglichkeit genommen, im europäischen Orchester der Großen auch nur die vierte Geige zu spielen: Letzten Donnerstag schied Hajduk bei Galatasaray Istanbul in der 3. Qualifikationsrunde zur Europa League aus: Mal wieder! Armes Hajduk, arme Danica, armer Davor, armer Mario, deren Gastfreundschaft ich anlässlich dieses traurigen Ereignisses genießen durfte! Die drei gehören zu Torcida Split, Hajduks 1950 gegründeter Fanvereinigung, die 8000 Mitglieder hat.

In Sachen Zuschauer ist Hajduk Split Kroatiens Krösus. Im Heimstadion Poljud, anmutig am Meer gelegen, feiern regelmäßig die Massen. Derzeit finden Punktspiele in der »Schönheit von Poljud« allerdings ohne Zuschauer statt. Coronabedingt laufen alle europäischen Pokalwettbewerbe gegenwärtig ohne Zuschauer und in einfacher Runde ohne Rückspiel: Hin und wieder hörten wir am Donnerstag - via Glotze - im leeren Istanbuler Stadion den Hajdukentrainer stöhnen. Wir stöhnten in Split. Und Davor erzählte von vergeigten Europapokalqualifikationen, bei denen er eine Vatikanfahne im Hajduk-Block wehen ließ. Kroatien ist streng katholisch. Die Fans auch.

Hajduk Split sich sieht oft und gern als Opfer von Dinamo Zagreb. Noch 2014 demonstrierten in Split 30 000 Menschen »Gegen die Dunkelheit, gegen die Macht«. Wohlgemerkt, es ging um Fußball, wobei Dinamo für die Spliter ein Synonym für mafiöse Verstrickungen des kroatischen Fußballverbands darstellt. Dinamo ist heute der einzig relevante kroatische Rivale. Keiner gönnt keinem etwas, selbst europäische Erfolge des Rivalen werden gekonnt ignoriert.

Der aktuelle politische Kanon in der Kurve ist rechtsnationalistisch, auch wenn es Leute gibt, die sich als links bezeichnen. In den vergangenen Jahren wurden rechte Gruppen in der Fanszene fortwährend stärker. Der Verband verhängte Strafen wegen Zeigens verbotener Symbole, des Deutschen Grußes oder rechter Parolen, was keinen von Wiederholungen abhält.

Dabei ist Hajduks Vereinsgeschichte antifaschistisch. Da Split bis 1945 zu Italien gehörte, hätte Hajduk ursprünglich in der italienischen Liga spielen sollen. Das lehnten Vereinsführung und Spieler jedoch ab. Die Mannschaft floh aus Split, schloss sich 1944 den jugoslawischen Partisanen um Tito an und spielte fortan als »offizielle Armeemannschaft«. In der jugoslawischen Republik war Hajduk der erfolgreichste kroatische Klub.

Antiserbische Parolen und Plakate sind heute allgegenwärtig. Vor zwei Jahren wurden in Split beispielsweise die Fans aus Rijeka während eines Spieles geschmäht, weil in Rijeka eine serbische Minderheit lebt.

In Dalmatien gibt es den Spruch: Ein Fremder wird nie verstehen, was die Dalmatiner zusammenhält. Hajduk ist ein starkes Symbol für ganz Dalmatien, ein gemeinsamer Nenner. Egal, welcher politischen Überzeugung man ist, man hält zu Hajduk; in allen Ecken der Region finden sich Graffitis und Liebesbekundungen für den Klub. Auch über meiner Lieblings-Piratenbucht prangt im Felsen das Hajduk-Emblem.