Adbusterin klagt in Karlsruhe

Aktivistin reicht Verfassungsbeschwerde ein

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

«Wir sind Nazinetzwerk, nur größer!» Plakate mit dieser Aufschrift waren in den vergangenen Wochen an mehreren Orten in Berlin zu sehen. Unterschrieben waren sie mit «Ihre Polizei». Doch für den Inhalt waren natürlich nicht die Beamten verantwortlich. Vielmehr haben hier die Adbuster*innen wieder zugeschlagen. So nennt sich eine Kommunikationsguerilla, die sich auf das Verändern von Werbeplakaten spezialisiert hat.

Der Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin, Benjamin Jendro, twitterte erbost: «Das ist keine Meinungsäußerung, sondern perfide, menschenverachtend und armselig.» Jendro forderte, «das stärkste Mittel des Rechtsstaats gegen eine solche Perversion des Kunsturheberrechts» einzusetzen«. In den vergangenen Jahren sind Polizei und Geheimdienste allerdings schon mit allen Mitteln gegen die Kommunikationsguerilla vorgegangen.

Adbusting tauchte unter der Rubrik Linksextremismus im Verfassungsschutzbericht auf und selbst Expert*innen, die auf Terrorismusbekämpfung spezialisiert sind, beschäftigten sich mehrmals mit der Aktionsform. Veränderte Plakate wurden auf DNA-Spuren untersucht und es gab mehrere Hausdurchsuchungen bei vermeintlichen Adbuster*innen.

Damit muss sich jetzt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigen. Nachdem eine Frau beim Anbringen eines veränderten Bundeswehrplakats beobachtet wurde, durchsuchte die Polizei drei Wohnungen in Berlin. Dagegen hat die Betroffene Verfassungsbeschwerde eingelegt. »Etwas Papier, Kleister und die Aussage ›Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe‹ reichen für Polizei und Landgericht also aus, um derart massiv in unsere Privatleben einzudringen«, meint die Betroffene mit dem Alias-Namen Frida Henkel. Unterstützt wird die Klage vom Bremer Verfassungsrechtler Andreas Fischer-Lescano.

»Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt«, schreibt der Professor für Öffentliches Recht in einem Gutachten.

Auch der Professor für Strafrecht an der Universität Trier, Mohamad El-Ghazi, hält die Maßnahmen für unverhältnismäßig. Er verweist darauf, dass sich Adbuster*innen maximal des Diebstahls oder der Sachbeschädigung schuldig machen. Tatsächlich war bereits im Herbst 2019 in Berlin ein Mann freigesprochen worden, dem mehrere Adbusting-Aktionen vorgeworfen wurden. Auch hier hatte die Verteidigung erklärt, dass bei der Aktion nur geringer Schaden entstanden sei. Die Richterin erklärte sogar in der Urteilsbegründung, Adbusting könnte straffrei sein, wenn die ursprünglichen Plakate nicht entfernt oder zerstört würden, sondern eingerollt am ursprünglichen Ort verbleiben. Auch die Linksparteipolitikerinnen Anne Helm und Ulla Jelpke haben sich wiederholt gegen die Kriminalisierung von Adbusting ausgesprochen.

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