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Alle Städte wollen das Dorf

Viele Kommunen im Ruhrgebiet hoffen auf Geld der Olympiabewerbung 2032 für neue Wohnungen. Doch wer es bekommt, bleibt offen

Michael Mronz ist ein Meister darin, bestimmt zu wirken, aber vage zu bleiben. Der 53-jährige Eventmanager ist die treibende Kraft hinter einer möglichen Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region für die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2032. Seinen jüngsten Auftritt hatte er am Mittwoch auf der neuland-Messe in Duisburg. Es sollte um die Frage gehen, welche große Stadt in der Region das Olympische Dorf beherbergen soll. Eine Antwort gab es jedoch wieder nicht. Und sie wird auch so schnell nicht kommen.

Vergabe der Spiele früher als sonst

Die Entscheidung über den Standort werde im Jahr 2022 fallen, vermeldete die Deutsche Presse-Agentur nach der Veranstaltung, doch selbst das hat Mronz so nicht verbindlich erklärt. Er sagte lediglich, er rechne damit, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) schon vor 2025 über die Vergabe der Spiele 2032 entscheidet. Noch davor, so hat es das IOC angekündigt, werde ein Dialogprozess mit den aussichtsreichsten Bewerbern gestartet, und in diesen wolle Mronz Anwärter für das Olympische Dorf vorstellen. Er geht davon aus, dass dieser Dialog etwa ein Jahr lang dauern werde.

Nun könnte man beginnen zurückzurechnen und würde in etwa im Jahr 2023 landen, bis sich die Rhein-Ruhr-Bewerbung auf eine Stadt fürs Olympische Dorf festlegen müsste, doch auch hier blieb Mronz unbestimmt. »Wir gehen davon aus, dass drei bis vier Kommunen Interesse haben, das Olympische Dorf zu verankern. Bis Ende des Jahres werden wir die Kommunen mit einem ersten Anforderungsprofil kontaktieren«, sagte er in Duisburg, während Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen neben ihm stand und kurz darauf eine erste Idee seiner Stadt vorstellte. Ist also Essen einer der vier Anwärter? Natürlich blieb auch das unklar. Mronz meinte später sogar, dass er mit jenen drei oder vier Kandidaten für das Dorf - also nicht mit einem einzigen - in den Dialog mit dem IOC eintreten wolle. »Dann schauen wir auf die Verträge, die wir mit dem IOC abschließen müssten, und ob wir dabei auf Augenhöhe sind. Erst dann entscheiden wir über das Olympische Dorf«, so Mronz.

Fremdes Geld für bezahlbaren Wohnraum

Die Frage, wer die neuen Wohnungen für vermutlich mehr als 17 000 Sportler und Betreuer bauen darf, ist äußerst wichtig. Bislang hat es Mronz geschafft, 14 einander sonst eher kritisch gegenüber stehende Kommunen zusammenzubringen, darunter auch Großstädte wie Köln, Düsseldorf und Essen. »Bei der Verteilung der Sportarten standen wir nie in Konkurrenz«, sagte Oberbürgermeister Kufen. Und: »Wohnen ist in allen großen Städten ein Thema.« Übersetzt heißt das wohl: Ob in meiner Halle Basketball oder Tischtennis gespielt wird, ist mir egal, aber die vielen neuen Wohnungen, vielleicht sogar bezahlt vom IOC oder vom Bund, die wollen wir alle haben. Schließlich beklagt fast jede größere Stadt im Land einen Mangel an zentralem, bezahlbarem Wohnraum.

Essens Vorschlag ist die Überdachung der Autobahn A40, die mitten durch die Stadt verläuft. Dies könnte gleichzeitig zur Luftverbesserung beitragen, so Kufen, der allerdings auch eingestehen musste, dass man mit diesen Plänen noch ganz am Anfang sei. Auch Mronz trat noch mal auf die Bremse: Alle Sportstätten sollten bis 2032 klimaneutral sein. »Das ist ein Ziel. Aber da muss man auch realistisch bleiben«, sagte der Manager.

Am Schluss wurde er doch noch mal etwas konkreter. Eine Bürgerbefragung soll »Ende 2021 oder Anfang 2022« angesetzt werden. Bis dahin wolle man auch das Budget des Organisationskomitees beziffern. Das wären gleich zwei kluge Schachzüge in einem: Dieses Teilbudget umfasst nie die viel größeren Infrastrukturkosten. Und zu diesem Zeitpunkt wären die Verträge mit dem IOC auch noch nicht finalisiert. Dabei stecken genau darin oft die Details, die die Bürger vom modernen Olympismus abstoßen.

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