nd-aktuell.de / 10.10.2020 / Wissen / Seite 23

Die Spur im Blut

Identifizierung des Hepatitis-C-Virus mit Medizinpreis geehrt

Ulrike Henning

Schon in den 1970er Jahren war bekannt, dass eine Leberentzündung (Hepatitis) von Viren ausgelöst wird. Zwei Erreger dafür waren damals bekannt, das Hepatitis-A- (kurz HAV) und das Hepatitis-B-Virus (HBV). Schon diese beiden gehören unterschiedlichen Virenfamilien an, HAV zur Familie der Picornaviridae, die mit einer Größe von bis zu 30 Nanometer zu den kleinsten Viren zählen. Dieses Virus kann über verunreinigte Nahrungsmittel und Wasser übertragen werden und auch von Mensch zu Mensch. In ärmeren Ländern ist es häufiger aktiv als zum Beispiel in Deutschland. HBV wiederum wird der Familie der Hepadnaviridae zugeordnet, die umhüllt sind und eine teilweise doppelsträngige DNA haben. Es wird vor allem über Blut und Körperflüssigkeiten übertragen, hauptsächlich bei Sexualkontakten oder von einer infizierten Mutter auf ihr Baby.

Harvey J. Alter, einer der diesjährigen Nobelpreisträger, hatte zunächst festgestellt, dass Spenderblut, in dem diese beiden Viren nicht nachweisbar waren, trotzdem Leberentzündungen bei den Empfängern auslösen konnte. In Versuchen mit Schimpansen erkannte er, dass der Entzündungsauslöser im Blut enthalten und offenbar ebenfalls ein Virus sein muss. Mitte der 70er Jahre erhielt die damit verbundene Krankheit zunächst die Bezeichnung Non-A/Non-B-Hepatitis. Zahlreiche Forschungsgruppen versuchten dann, den Erreger genauer zu bestimmen.

Jahre später verfolgte eine Arbeitsgruppe um Michael Houghton, ebenfalls Preisträger 2020 und damals Mitarbeiter einer Pharmafirma, mithilfe von Antikörpern aus Patientenblut das Ziel, virales Erbgut zu isolieren. Das gelang, und entdeckt wurde so das Hepatitis-C-Virus aus der Familie der Flaviviren, die alle einsträngige RNA enthalten und eine Virushülle aus Lipiden der ursprünglichen Wirtszelle und darin eingelagerten Proteinen besitzen. Diese Viren sind 40 bis 60 Nanometer groß.

Am Ende klärte der dritte Preisträger des aktuellen Jahrgangs, Charles Rice, dass das neue Virus als alleiniger Faktor in der Lage ist, eine Hepatitis zu verursachen. Dazu nutzte der US-Virologe mit seinen Kollegen an der Washington University in St. Louis ebenfalls Schimpansen als Versuchstiere, denen er bestimmte RNA-Varianten in die Leber injizierte. Die Tiere erkrankten an Hepatitis, und einige Monate lang waren in ihrem Blut infektiöse Viren nachweisbar.

In der Folge dieser Entdeckungen wurden Tests entwickelt, mit denen Träger von Hepatitis-C-Viren erkannt und verunreinigte Blutprodukte aussortiert werden konnten. Damit waren tragische Ereignisse nicht mehr möglich wie etwa die versehentliche Infektion von Millionen Ägyptern Mitte der 70 Jahre, denen verunreinigte Spritzen gegen die Parasitenerkrankung Schistosomiasis verabreicht wurden. Die Therapie half zwar gegen die Parasiten, führte aber Jahre später zu Hepatitis C. In der DDR kam es 1978/79 zu einer ähnlichen Katastrophe, als 7000 Frauen nach der Entbindung gegen eine Rhesusfaktorunverträglichkeit geimpft wurden. Das Präparat war bei der Herstellung mit HCV verseucht worden. Etwa 3000 Frauen erkrankten an chronischen Leberentzündungen und deren Folgen, etwa Tumoren an dem Organ. Ein ähnliches Desaster hatte sich schon 1954 ereignet, als Fußballspieler reihum eine offenbar verunreinigte Vitaminspritze nutzten und dann zum WM-Finale in Bern an Hepatitis erkrankten. Erst viel später konnte man in diesen Fällen auf eine HCV-Infektion schließen.

Nicht nur Bluttransfusionen sind also inzwischen sicherer geworden. Die Entdeckungen der Nobelpreisträger haben auch dazu beigetragen, dass antivirale Medikamente entwickelt werden konnten, die zu einer 95-prozentigen Heilungsrate von Hepatitis-C beitragen. Diese Mittel sind seit 2014 verfügbar und wurden von Medizinern als echter Durchbruch in der Therapie bezeichnet. Die zuvor verwendete und schlecht verträgliche Kombinationstherapie mit Interferon und Ribavirin konnte eingestellt werden. Angesichts der neuen Möglichkeiten ist es um so bedauerlicher, dass ein Großteil der in Deutschland betroffenen Infizierten noch nicht davon profitiert. Insbesondere Risikogruppen wie Drogenkonsumierende wissen häufig nichts von der eigenen Infektion. Aus diesem Grund prüft der Gemeinsame Bundesausschuss für das Gesundheitswesen (G-BA), ob ein systematisches Screening auf Hepatitis B und C in das Vorsorgeprogramm der gesetzlichen Kassen aufgenommen werden kann. Bei positivem Entscheid würde dann jedem Versicherten ab dem 35. Lebensjahr einmalig eine Testung auf die beiden HBV und HCV angeboten.