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  • Rechtsextremismus in der Polizei

Pistorius will antidemokratische Glutnester ersticken

Niedersachsens Innenminister befürwortet eine Studie zu Rechtsextremismus und Rassismus in der Polizei

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius hat sich über ein Plakat der Grünen sehr geärgert. Darauf ist ein Mensch zu sehen, der mit dem Fernglas in die Weite blickt. Darunter steht die Forderung der Oppositionspartei: »Nach den Rechten sehen - auch in der Polizei Niedersachsen«. Anklagend hielt der SPD-Politiker in der jüngsten Landtagssitzung dem Plenum in Hannover das Poster entgegen und geißelte es: »Das erweckt den Eindruck, als hätten wir ein riesiges Problem mit Rechtsextremismus.« Davon aber könne nicht die Rede sein, so der Ressortchef.

Ob sich Pistorius bei dieser Aussage felsenfest sicher war, scheint inzwischen fraglich zu sein. Denn nun hat er das Vorhaben geäußert, eine Studie zum Extremismus unter Polizeibeamten in Auftrag zu geben. Zumindest in Niedersachsen solle das recht schnell geschehen, kündigte der Minister gegenüber der »Rheinischen Post« an und konstatierte: »Offensichtlich gibt es immer wieder Glutnester antidemokratischen Verhaltens, die wir schnell erkennen und ersticken müssen.«

Das wünscht sich der Sozialdemokrat aber nicht nur für Niedersachsen, sondern für ganz Deutschland. Zunächst einmal soll das Thema auf der Konferenz der SPD-geführten Landesinnenministerien Ende Oktober besprochen werden. Auch das von Rot-Rot-Grün regierte Berlin will sich an der geplanten länderübergreifenden Studie beteiligen. Das bestätigte ein Sprecher der Innenverwaltung.

Als nächsten Schritt wollen die Sozialdemokraten die Studie auf der Bundesinnenministerkonferenz zur Sprache bringen, die im Dezember in Weimar tagt. Dass sie damit bei ihrem Bundeskollegen Horst Seehofer gut ankommen, darf bezweifelt werden. Der CSU-Mann meint nämlich, dass die Polizei unter Generalverdacht gestellt werden könne, wenn sich eine Studie allein auf die Sicherheitsbehörden richte. Eine Untersuchung des Polizeialltags kann sich der Bundesinnenminister dagegen gut vorstellen.

Auch in der Bundesregierung ist das Thema umstritten. »Immer wieder sind in der letzten Zeit verstörende Fälle von rassistischen und antidemokratischen Einstellungen in der Polizei bekannt geworden«, erklärte kürzlich Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). »Deshalb brauchen wir dringend mehr Erkenntnisse dazu, wo wir stehen. Wir müssen wissen, ob und inwieweit die vorhandenen organisatorischen Strukturen in der Polizei ausreichen, um solche Fälle in Zukunft zu verhindern.«

Auch Pistorius hält es für besonders wichtig, dass jeder mögliche Fall von Rassismus und von Extremismus in der Polizei »konsequent und genau« untersucht wird und dass daraus auch die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.

Die Grünen hatten im Landtag gefordert, »schnellstmöglich einen Lagebericht über Rechtsextremismus« in der niedersächsischen Polizei zu erstellen. Die Landesregierung aus SPD und CDU möge dazu eine Studie in Auftrag geben. Entschieden wurde über diese Forderung bisher nicht. Zunächst wird die Sache im Innenausschuss des Landtags besprochen, entschieden die Abgeordneten seinerzeit einstimmig. Mit Blick auf die jüngsten Äußerungen von Pistorius zum Thema Studie ist aber davon auszugehen, dass das Parlament des zweitgrößten Bundeslandes der Untersuchung zustimmen wird.

Bereits vor Wochen hatten die Vorgänge um rechtsextreme Chats innerhalb der Polizei unter anderem in Nordrhein-Westfalen eine Diskussion um die Frage ausgelöst, ob eine Studie über Rassismus in der Polizei angesagt sei. Gefragt, ob sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen für oder gegen eine solche wissenschaftliche Untersuchung ausspreche, sagte der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff gegenüber dem hannoverschen Fernsehsender H1: Bis eine Studie zu Extremismus, Rassismus oder Racial Profiling abgeschlossen sei, gehe viel Zeit ins Land.

Die GdP halte es aber für sinnvoll, »schneller zu handeln«, sich mit der Situation der Menschen in der Polizei zu beschäftigen, und rechtliche Bestimmungen zu überprüfen, die dazu führen, »dass sich Menschen eventuell racial-profiling-mäßig behandelt fühlen«.

Pistorius ist sich insofern mit der GdP einig: Die von ihm jetzt geforderte Studie soll auch Erkenntnisse zum polizeilichen Arbeitsalltag bringen. Er hat seinen SPD-Amtskollegen bereits vorgeschlagen, dass Wissenschaftler die Polizei beim Einsatz begleiten sollten. Innerhalb eines Jahres sollten die Innenministerien die Erkenntnisse aus allen Bundesländern zusammentragen und Aussagen dazu treffen können, »ob und inwiefern Rassismus, extremistische Äußerungen oder sogenanntes Racial Profiling« im Alltag der Polizisten begünstigt werden.

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