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Waffenschmieden bestens vernetzt

Studie: Rüstungsindustrie hat »erheblichen Einfluss« auf Politik

  • Kofi Shakur
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei Transparency International ist man besorgt. Einer Untersuchung zufolge, die die Antikorruptionsorganisation am Mittwoch in Berlin vorstellte, kann die Rüstungsindustrie »erheblichen Einfluss« auf die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausüben. Das widerspreche der im Grundgesetz geforderten strikten Kontrolle entsprechender Entscheidungen durch Parlament und Regierung, mahnte Transparency-Sicherheitsexperte Peter Conze.

Bei aller Berechtigung von Geheimhaltung müsse es im Rüstungsbereich größtmögliche Transparenz geben, um eine unlautere Beeinflussung von Entscheidungsträgern zu verhindern, sagte Conze. Mit Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre heißt es im Bericht: »Der Zeitdruck, unter dem die Streitkräfte neu ausgerüstet und der Verteidigungshaushalt angehoben wurde, erhöht das Risiko, dass private Interessen auf Kosten des öffentlichen Interesses befriedigt werden.«

Als Beispiel dafür wird die Berateraffäre im Verteidigungsministerium angeführt. Dabei waren vom Verteidigungsministerium unter der damaligen Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) Aufträge in Millionenhöhe an private Beratungsunternehmen vergeben worden. Die Affäre zeige, »wie stark der Bereich Sicherheit und Verteidigung von externer Expertise abhängig ist und beeinflusst werden kann«, heißt es im Bericht. Wenn eigenes Fachpersonal fehle und Kompetenzen ausgelagert würden, hätten »Lobbyisten leichtes Spiel«, mahnte Conze und forderte unter anderem eine stärkere Einbindung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages in Entscheidungen.

FDP, Grüne und Linke sahen in einem Sondervotum im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur Affäre eine besondere Verantwortung der ehemaligen Ministerin für die Vorgänge. Dagegen wurde von der Leyen von der Großen Koalition entlastet. Der Linke-Politiker Matthias Höhn sagte seinerzeit gegenüber »nd«, das Verteidigungsministerium ersticke »in Bürokratie und Lobbyismus«. Es gebe eine »Handvoll Rüstungsunternehmen, die regelmäßig Verträge zu für den Steuerzahler miesen Konditionen abgreifen«. Angeblich hätten die externen Berater dies ändern sollen. Stattdessen hätten auch sie »gutes Geld« verdient.

Die Große Koalition lehnte wiederholt Anträge von Linkspartei und Grünen zur Schaffung eines nachvollziehbaren Lobbyregisters ab. Nun liegt ein eigener Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD dazu vor. Diesen bezeichnete Peter Conze aber als »nicht ausreichend«. So sieht der Entwurf keine Meldepflicht für Treffen mit Lobbygruppen vor. Conze plädiert deshalb für einen unabhängigen Lobbybeauftragten. Zudem sprach er sich für die Einführung des »legislativen Fußabdrucks« aus. Dieser sieht eine genaue Dokumentation über den Einfluss von Interessenvertretungen auf Gesetzesentwürfe vor. Ein solches Verfahren müsse auch bei Beschaffungsaufträgen für die Bundeswehr zum Tragen kommen. Wie in allen Politikbereichen gebe es im Verteidigungssektor »unlautere Beeinflussung von politischen Entscheidungsträgern, Interessenkonflikte, fragwürdige Nebeneinkünfte und Drehtüreffekte«, so Conze. »Nur die Vertragssummen sind hier deutlich größer.«

Conze monierte auch, dass Abgeordnete Nebentätigkeiten etwa für Rüstungsunternehmen zwar angegeben müssen, dass aber eine Teilnahme an Sitzungen von Ausschüssen oder Gremien zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik keiner besonderen Genehmigung bedürfe. Laut Studie kann die Rüstungsindustrie etwa Wahlkampagnen von Politikern durch »Zuwendungen für Parteiveranstaltungen und Konferenzen finanziell und in Form von Sachmitteln« unterstützen. Auch gebe es für Beschäftigte von Abgeordneten keinen »Code of Conduct«. Dabei hätten diese teilweise sehr enge Beziehungen zu Unternehmen, die sich nicht genau überprüfen oder kontrollieren ließen.

Auf Nachfrage erklärte Conze, zwar sei die Öffentlichkeit für das Thema Lobbyismus nach dem Skandal um die Nebentätigkeit des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor stärker sensibilisiert. Aber noch fehlten in vielen Bereichen weiter Regelungen. Auch der Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft müsse besser geregelt werden. So war Dirk Niebel (FDP) als Entwicklungsminister an Entscheidungen der Regierung über Waffendeals mit Saudi-Arabien beteiligt. 2015 wurde er Cheflobbyist im Rüstungskonzern Rheinmetall.

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