Heiteres, das schwer zu machen war

Roland Oehme wird 85

  • Günther Agde
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn einer 85 wird, ist eigentlich schon alles über ihn gesagt, sein Werk gewürdigt, sein Charakter beschrieben. So auch beim DEFA-Filmregisseur Roland Oehme, der an diesem Freitag Geburtstag hat. Und doch ist es angebracht, noch einmal auf sein Werk zu schauen, zumal aus solchem Anlass, und weil auch viele seiner Filme bedauerlicherweise kaum präsent sind.

Oft ist sein langjähriges praktisches Bemühen um Komisches im DEFA-Film beschrieben und gelobt worden. Wie kein anderer DEFA-Regisseur hat Oehme das heitere Genre im Spielfilm geprägt. Damit hatte er es oft nicht leicht: die DDR-Oberen hatten bekanntlich keinen ausgeprägten Sinn für Humor, auch nicht die Verwalter von Kunst und Kultur und Film; sie betrachteten alle Unternehmen in dieser Richtung mit Misstrauen und witterten allzu oft in jedem Witz Umstürzlerisches. Dieser latenten Skepsis traten einige wenige Künstler beherzt entgegen. Roland Oehme gewann die besten als Autoren und Mitarbeiter für seine Filme, vor allem Rudi Strahl, Renate Holland-Moritz, Hansgeorg Stengel.

Er hat ein rundes Dutzend Filmkomödien gedreht, die allesamt ein begeistertes Publikum fanden. Die Komik seiner Filme entfaltete sich an den zahlreichen Widersprüchen im DDR-Alltag, und da fand er vieles, was bloßgestellt, kritisiert, veralbert werden konnte - und auch musste. Lachend sollten die Widersprüche gelöst werden. Gesamtgesellschaftlich vielleicht ein großer Irrtum. Aber die Zuschauer waren auf seiner Seite. Sie freuten sich und erlebten Entspannung und Unterhaltung besonderer Art. Er setzte auf befreiendes Lachen. Schenkelklatschendes Witzchenreißen oder Bierseligkeiten blieben ihm fremd, obgleich er groteske Überspitzungen nicht scheute.

Oehmes Klassiker und Dauerbrenner war (und bleibt) »Der Mann, der nach der Oma kam« (1971, nach einer Geschichte von Renate Holland-Moritz). Die Komödie traf seinerzeit ins Schwarze: Ein viel beschäftigtes Künstlerehepaar (Rolf Herricht und Marita Böhme) engagiert einen jungen Mann (Winfried Glatzeder) als Haushalthilfe und Mädchen für alles. Der soll den Haushalt schmeißen, wenn die Alten unterwegs sind. Familiensorgen im Alltäglichen, das Chaos als Normalzustand - aber Graffunda bewältigt alles, ungeschickt, naiv auch, doch mit einer gesunden Portion Menschenverstand. Glatzeder als Graffunda, ein dürrer Lulatsch mit leicht angeknittertem Belmondo-Image, setzte mit dieser Rolle einen frühen Höhepunkt seiner Filmkarriere. Die Drei-Personen-Konstellation bildete den üppigen Nährboden für ein andauerndes Feuerwerk von Verwicklungen, Missverständnissen, Irrtümern, das so komisch, überdreht und auch grotesk war, dass die Zuschauer ihre helle Freude hatten.

In »Einfach Blumen aufs Dach« (1979) geriet ein kinderreicher Hochspannungsmonteur (Martin Trettau) in ein tragikomisches Dilemma: Er bekommt für seinen Trabant eine überdimensionale Regierungskalesche namens Tschaika (russisch: Möwe; so hießen die Staatskarossen, die die DDR-Führung für sich aus der Sowjetunion importiert hatte). Das Missverhältnis zwischen dem Riesenauto, seiner vielköpfigen Familie und dem befremdlichen Umgang der Arbeitskollegen mit ihm machen den Reiz des Films aus - jeder Zuschauer erkannte schmunzelnd den Hintersinn des Ganzen.

Auch »Wie füttert man einen Esel« (1974, mit Manfred Krug als kraftmeierischem Lkw-Fahrer), »Ein irrer Duft von frischem Heu« (1974, eine Satire auf orthodoxe Gläubigkeiten) und »Asta, mein Engelchen« (1981, mit Erwin Geschonneck in einer Doppelrolle) lebten von solchen Gestaltungsansätzen: einer gegen den Rest der Welt in der DDR. In »Meine Frau Inge und meine Frau Schmidt« (1984) spielte Oehme waghalsig mit einer frivolen Konstellation: Ein Mann laviert gleichzeitig zwischen und mit zwei Frauen und mit Kindern. Das war sehr offenherzig und freizügig gedreht, mit vielen erotischen Nuancen, ein bisschen voyeuristisch auch und vertrackt komisch. Die sprichwörtliche Prüderie von Funktionären und auch mancher Zeitgenossen bremste Kinoeinsatz und Resonanz. Das Heitere, das schwer zu machen war - Roland Oehme hat es versucht.

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