nd-aktuell.de / 27.10.2020 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 15

Schlag ins Gesicht der Mieter

Innenministerium streicht nach Lobbytreffen Umwandlungsverbot aus Entwurf

Simon Poelchau

Als das Bundesinnenministerium im Juni einen Referentenentwurf zum Baulandmodernisierungsgesetz vorlegte, war es eine kleine Sensation. Tatsächlich hatten sich SPD und Union darin auf die Erschwerung der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum verständigt, um etwas gegen die Immobilienspekulation zulasten von Mietern zu unternehmen. »Die Regelung führt einen Genehmigungsvorbehalt ein, um den zuständigen Stellen zu ermöglichen, negative Auswirkungen von Umwandlungen auf den Mietwohnungsmarkt zu begrenzen«, hieß es damals in dem Referentenentwurf. Mieter würden so vor Verdrängung durch Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geschützt.

Doch als Bundesinnen- und Bauminister Horst Seehofer (CSU) Ende September eine aktualisierte Fassung herumschickte, war die Verschärfung aus dem Entwurf gestrichen. Das führte sogleich zu einem kleinen Koalitionsstreit: »Unser Koalitionspartner zeigt sich ein Jahr vor der Bundestagswahl einmal mehr als Anti-Mieter-Partei. Das wird die SPD-Bundestagsfraktion nicht mittragen«, monierte etwa SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Der rechtspolitische Sprecher der Union, Jan-Marco Luczak, jubelte hingegen: »Ich bin froh, dass das Umwandlungsverbot aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde. Darum habe ich hart gerungen.«

Doch nicht nur Luczak kämpfte gegen die gemeinhin auch Umwandlungsverbot genannte Beschränkung. Auch die gesamte Immobilienlobby lief dagegen Sturm und fand im Bundesinnenministerium und im Kanzleramt offenbar wohlgesinnte Zuhörer, wie eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag zeigt, die »nd« vorliegt. Demnach traf sich die Bundesregierung seit der Veröffentlichung des ersten Referentenentwurfs im Juni bei fünf Anlässen 13 mal mit Vertretern der Immobilienwirtschaft und ihr nahestehender Verbände. Darunter waren zum Beispiel die Spitzen des Immobilienverband Deutschland, des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und Vertreter des Eigentümerverbandes von Haus&Grund. Hinzu kommt: Telefonische Gespräche mit der Immobilienlobby wurden von der Bundesregierung nicht als Lobbygespräche verzeichnet. Die Gewerkschaften, die sich für eine Beschränkung aussprachen, wurden indes nicht gehört.

»Entgegen der Versprechen der Bundesregierung auf dem Wohngipfel 2018, die Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen zu begrenzen, gibt sie wieder dem Druck der Immobilienlobby nach«, erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Caren Lay. »Das ist ein Schlag ins Gesicht von Mieterinnen und Mietern und einfach unverantwortlich! Auf den angespannten Wohnungsmärkten braucht es ein Umwandlungsverbot, um bezahlbaren Wohnraum zu sichern und Verdrängung zu stoppen«, so die Mietenexpertin Lay.

Im selben Zeitraum, in dem sich die Immobilienverbände im Bundesinnenministerium die Klinke in die Hand gaben, durfte der Deutsche Mieterbund (DMB) als Lobby der Mieter lediglich zweimal bei Konferenzen vorsprechen. Für dessen Präsidenten Lukas Siebenkotten ist das Streichen der Umwandlungsbeschränkungen aus dem Gesetzentwurf ein »unglaublicher Rückschlag« für die Mieter. So verweist der DMB darauf, dass jedes Jahr Tausende Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt werden, allein in Berlin seit 2015 fast 80 000. Bestehende Mietverhältnisse stünden unter Gentrifizierungsdruck durch Modernisierungen mit stark ansteigenden Mieten, Veräußerung der bewohnten Wohnung oder Eigenbedarfskündigungen. So stiegen die Preise für Eigentumswohnungen seit 2010 im bundesdeutschen Mittelwert um 93 Prozent, in attraktiven Großstädten wie Berlin und München sogar um bis zu 181 Prozent.

Laut dem DMB führt deshalb eine Umwandlung in den seltensten Fällen zum Erwerb durch die Mieter und Mieterinnen, da sie die hohen Kaufpreise nicht aufbringen können. Dies jedoch sehen Gegner des Umwandlungsverbots wie der CDU-Abgeordnete Luczak als Allheilmittel an: »Statt Verbotsdebatten zu führen, sollten wir besser ein Programm auflegen, das mehr Mieterinnen und Mietern in die Lage versetzt, ihre Wohnung zu kaufen«, forderte er, nachdem Seehofer die Beschränkung gestrichen hatte. Die meisten werden dazu vermutlich nie in der Lage sein.