nd-aktuell.de / 27.10.2020 / Politik / Seite 1

Chefs sind meist im Westen geboren

Ostdeutsche und Migranten werden in bundesdeutschen Führungsetagen ähnlich benachteiligt

Uwe Kalbe

Dass die Ostdeutschen bundesweit und selbst in den eigenen Bundesländern in den Führungsetagen von Wirtschaft, Hochschulen oder Bundeseinrichtungen nicht angemessen vertreten sind, ist keine Neuigkeit - gerade in diesem 30. Jahr nach der deutschen Vereinigung wird dies immer wieder festgestellt. Die Benachteiligung ist mit dem Bild der Ostdeutschen so eng verknüpft wie ihre Benachteiligung bei den Einkommen und Vermögen oder ihr Hang zu einer Art struktureller Feindseligkeit gegenüber Migranten.

In einer neuen Studie wird nun allerdings die Benachteiligung von Ostdeutschen und Migranten bei der Besetzung von Spitzenpositionen untersucht. Und siehe da, die Übereinstimmungen sind frappierend. Beide, Ostdeutsche wie Einwohner mit Migrationshintergrund sind demzufolge in Spitzenpositionen nicht ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend vertreten. Laut der am Montag in Berlin vorgestellten gemeinsamen Analyse des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung, der Universität Leipzig und der Hochschule Zittau/Görlitz sind unter den Führungskräften in Deutschland nur zehn Prozent Ostdeutsche und neun Prozent Menschen mit Migrationshintergrund. Ihr Bevölkerungsanteil liegt aber bei 19,4 Prozent (Ostdeutsche) und 26 Prozent (Migrationshintergrund). Beide Gruppen teilen sich faktisch diese Art der Benachteiligung, was sich jedoch bisher nicht in einem tieferen Verständnis oder einer speziellen Solidarität niedergeschlagen hat.

Insgesamt besetzen Ostdeutsche nach jüngsten Forschungsergebnissen lediglich 10,1 Prozent der Führungspositionen. Menschen, bei denen mindestens ein Elternteil bei seiner Geburt keine deutsche Staatsbürgerschaft hatte, kommen gar nur auf 9,2 Prozent Anteil an den Führungskräften in Deutschland. Relativ stark vertreten sind die Ostdeutschen der Untersuchung zufolge in den Führungsetagen der Bereiche Sicherheit (12,5 Prozent) und Gewerkschaften (12,1 Prozent). Dass sie auch in der Politik mit 19 Prozent ihrem Anteil nach angemessen vertreten sind, dürfte eher mit dem Wahlsystem zusammenhängen, dessen Ergebnisse sich bekanntlich entlang der Bevölkerungsstärke bemessen. Die wenigsten ostdeutschen Führungskräfte gibt es in der Wissenschaft (1,5 Prozent), in der Justiz (zwei Prozent) und im Militär (keine). Auch in den Medien findet man sie mit einem Anteil von 6,9 Prozent eher selten in Spitzenpositionen wie auch im Bereich Religion (5,3 Prozent) und in der Wirtschaft mit 4,7 Prozent.

Hier wieder sind Migranten besser aufgestellt, ihr Anteil in Vorständen und Aufsichtsräten liegt bei 13,8 Prozent, in den Medien bei 16,4 Prozent, in der Kultur bei 19,6 Prozent und im Bereich Religion bei knapp 26 Prozent. In der Politik sind sie mit 7,7 Prozent hingegen besonders schlecht vertreten - auch in der Sicherheit (keine) und beim Militär (zwei Prozent). Eine klare Bevölkerungsmehrheit sieht in solchen Missverhältnissen ein Problem, wie Professor Raj Kollmorgen von der Hochschule Zittau/Görlitz in Berlin darlegte. 60 Prozent befürworteten deshalb spezielle Fördermaßnahmen für beide Gruppen - für Ostdeutsche allerdings etwas häufiger (68 zu 59 Prozent). Mit Agenturen