Gegen Gauner und Gangster

Kirgistans selbst ernannter Präsident geriert sich als Korruptionsbekämpfer

  • Othmara Glas, Almaty
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist noch keine zwei Wochen im Amt, da legt sich Kirgistans Präsident schon mit den Gangsterbossen seines Landes an. Sadyr Schaparow hat den Kampf gegen Korruption zu seiner obersten Aufgabe erklärt, und schafft Tatsachen. Gleich zwei der einflussreichsten Kriminellen ließ er in der vergangenen Woche festnehmen. Korrupten Beamten hat er eine Amnestie angeboten, wenn sie ihr ergaunertes Geld an den Staat zurückzahlen.

Es sind populäre Maßnahmen, die Schaparow wohl nun den Weg ebnen sollen, bald als gewählter Präsident zu regieren. Schließlich hat der 51-Jährige, den die jüngsten Proteste ins Amt gespült haben, alles andere als eine weiße Weste. Noch Anfang des Monats saß er wegen Entführung eine elfjährige Haftstrafe ab. Dann brachen die Proteste wegen Manipulationsvorwürfen bei den Parlamentswahlen vom 4. Oktober aus. Schaparows Anhänger nutzten die Unruhe, um ihn aus dem Gefängnis zu befreien. Im Chaos der darauffolgenden Tage gelang es ihm, sich vom Parlament zum Premierminister wählen zu lassen.

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Nach dem Rücktritt des damals amtierenden Präsidenten Sooronbaj Dscheenbekow am 15. Oktober ernannte sich Schaparow schließlich einfach selbst zum Staatschef. Nun ist er Premierminister und Präsident in Personalunion. Ausgerechnet er will jetzt in den Krieg gegen Gauner und Diebe ziehen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen machte er deshalb einen alten Freund zum Leiter des Nationalen Sicherheitskomitees. Was folgte, war laut offizieller Darstellung, ein fulminanter Start: Nachdem Schaparow dem flüchtigen ehemaligen Vizechef des Zolldienstes, Rayimbek Matraimow, öffentlich dazu geraten hatte, »Gerechtigkeit walten zu lassen«, stellte sich dieser am 20. Oktober den Behörden. Matraimow wird vorgeworfen, rund 700 Millionen US-Dollar unterschlagen zu haben. Der Untersuchungsrichter stellte ihn jedoch nur unter Hausarrest mit der Begründung, dass Matraimow bereits 24 Millionen US-Dollar Schadenersatz an den Staat gezahlt habe.

Zwei Tage später nahmen Beamte des Sicherheitskomitees Kamtschybek Kolbajew fest, der als wichtigster Unterweltboss Kirgistans gilt. Einige Beobachter behaupten, dass Kolbajew womöglich hinter dem raschen Aufstieg Schaparows stecke und seine Verhaftung nur Show sei. Der Präsident weist jedoch jede Andeutung, er werde vom organisierten Verbrechen unterstützt, von sich. Kolbajews Verbrechen, die von Drogenschmuggel über Menschenhandel bis hin zu Mord reichen sollen, würde mit dem erst kürzlich neu ernannten Generalstaatsanwalt nun ebenfalls ein alter Vertrauter von Schaparow untersuchen.

Trotzdem bleibt die Frage nach der Rechtschaffenheit des Interimspräsidenten. Er hatte bereits angekündigt, die Verfassung ändern zu wollen, damit er auch als Amtsinhaber bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen am 10. Januar antreten kann. Bisher ist das ausgeschlossen. Mit einem cleveren Schachzug sorgte er deshalb dafür, dass die Parlamentswahlen, die im Dezember hätten wiederholt werden sollen, nun frühestens im Juni 2021 stattfinden. Das hätte ihm Zeit gebracht, denn das Parlament weiß Schaparow sowieso hinter sich.

Beim eigenen Volk scheint er sich hingegen weniger sicher zu sein. Die aktuelle Verfassung ist die wichtigste Errungenschaft des Regierungsumsturzes von 2010. Damals kamen bei Protesten 87 Menschen ums Leben. In einem anschließenden Referendum stimmten die Kirgisen für die Einführung des Parlamentarismus. Diese Verfassung zu ändern und die Rechte des Präsidenten wieder zu stärken, wäre ein Zeichen, dass Schaparow aus der Geschichte wenig gelernt hat. Zudem hat sich der als nationalistisch geltende Politiker für die Wiedereinführung eines präsidentiellen Regierungssystems ausgesprochen. Das dürfe ihm anders als sein Anti-Korruptions-Kampf nicht nur Sympathien gebracht haben. Am Montag verkündete Schaparow nun, Anfang Dezember seine Ämter niederlegen zu wollen: »Ich werde als normaler Bürger am Wahlkampf teilnehmen. Wenn ich gewinne, dann werde ich Präsident, wenn nicht, dann bleibe ich ein gewöhnlicher Bürger.«

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