»Wir sind die Avantgarde der Unterdrückten«

Dorothy Semu, stellvertretende Vorsitzende der linken ACT Wazalendo über die Wahlen in Tansania

  • Kofi Shakur
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Wahlen werden von einer Pandemie und von politischer Repression überschattet. Wie geht ACT damit um?

Die aktuelle Kampagne konzentriert sich auf unsere Leidenschaft und unseren Patriotismus, der auf der Gründungsideologie unseres Landes von Menschlichkeit, Integrität, Freiheit und Gerechtigkeit basiert. Tansanier*innen für Demokratie und Entwicklung unterstützen uns in Massen in allen Gebieten, in denen wir trotz all der Drohungen unseren Wahlkampf geführt haben.

Dorothy Semu
ist die stellvertretende Vorsitzende der linken Partei von ACT Wazalendo auf dem Festland in Tansania. Über die Wahlen in Tansania und Sansibar sprach mit ihr Kofi Shakur.

In Sansibar ist Ihr Kandidat Maalim Seif Sharif Hamad sehr beliebt und des Sieges sicher. Wie sieht der Kampf gegen Korruption, für Arbeit und Bildung aus, den er führen will?

Seit der Wiedereinführung des Mehrparteiensystems ins Sansibar ist Hamad wie ein Fels. Wir haben ein Manifest, das die Vision für das Sansibar erhält, das wir wollen. Wir wollen unsere Ideen auf der vollen Souveränität einer stabilen Nation in einer gerechten Union aufbauen, in der es zuerst um die Menschen geht. Gestützt auf Respekt für die Menschenwürde, eine wachsende inklusive Wirtschaft, die vernünftige Jobs und Möglichkeiten für alle schafft. Wir wollen für universelle soziale Absicherung sorgen.

Die Wahlen finden zwei Wochen nach dem Nationalfeiertag für den ersten Präsidenten, Julius Nyerere (1961-85), statt.

Wie können Sie sich auf seine Ideen beziehen, während seine alte Partei der Revolution (CCM) an der Macht ist?

Unsere Partei wurde gegründet mit der starken Entschlossenheit, die Gründungsprinzipien unserer Nation wiederherzustellen, die seit Dekaden verloren sind. Die Regierenden haben im Namen des freien Marktes, ohne Rücksicht auf die Interessen des Volkes, neoliberale Werte vertreten und so Vertrauen verloren. Das hat uns zu unserer Forderung nach der Wiederherstellung der Arusha-Deklaration gebracht, auf deren Grundlage wir eine demokratisch-sozialistische und selbstständige Nation aufbauen wollen, die den Interessen der arbeitenden und unterdrückten Massen in Stadt und Land dient und sie als Hoffnungsschimmer dabei in ihrem täglichen Kampf anleitet, die Härten ihres Lebens zu überwinden. Um die bedeutenden Produktionsmittel zu demokratisieren und die Ungleichheit zwischen Besitzenden und Besitzlosen zu verringern.

Öffentliche Ämter dienen den Massen, nicht den wenigen im Amt. Wir können uns kritisch auf Nyereres Ideen beziehen, wo sie als Fahrplan für die Gesellschaft dienen, die wir aufbauen wollen. Diese Vision lebt weiter und kann die Arbeiter*innenklasse daran erinnern, dass seine Partei und die Regierung die Arusha-Deklaration verraten haben. Wir haben keine Angst davor, seine Ideen in unsere Zeit zu übersetzen. Die Politik der Regierung widerspricht den Prinzipien Nyereres. Wir sehen mehr und mehr Proteste an den Universitäten, aber auch von Minenarbeiter*innen, Bäuer*innen, Fischer*innen, Leuten, die auf der Straße Handel treiben, gegen die Kommerzialisierung von Grundbedürfnissen.

Ihr ursprünglicher Kandidat für das Festland war Bernard Membe, bis 2015 Außenminister und bis Anfang des Jahres noch Mitglied der CCM ...

Die zehn leitenden Prinzipien der Partei mit vier Grundsäulen zeugen von den großen Unterschieden zwischen uns und der Regierungspartei. Die Leitlinien unserer Politik sind in der Tabora-Deklaration festgehalten. ACT ist eine radikal linke Bewegung, geleitet von einer demokratisch-sozialistischen Perspektiv, verankert in der Basis. Wir sind die Avantgarde der Unterdrückten und immer auf ihrer Seite, indem wir die Stimmen der Arbeiter*innen und Bäuer*innen verstärken. Wir verteidigen internationale Solidarität, beispielsweise mit den Sahrauis aus der Westsahara. Bernard Membe hat mit der CCM gebrochen und sich unseren Prinzipien verpflichtet.

In den 1960er Jahren war Dar es Salaam der Mittelpunkt des antiimperialistischen Widerstandes um Personen wie Abdulrahman Mohamed Babu aus Sansibar und den marxistischen Historiker Walter Rodney aus Guyana. Braucht es eine Widerbelebung dieser Zeit?

Ja, im Kontext des gegenwärtig ungezügelten Neoliberalismus ist es zentral für Afrika, diesen revolutionären nationalistischen Geist wiederzubeleben, um diese Probleme anzugehen und den Pfad wirklicher Entwicklung für unser Volk einzuschlagen. Ich sehe eine generelle Notwendigkeit, Widerstand und alternative Perspektiven reaktionären Kräften in unserem Land und in Afrika entgegenzusetzen. Doch dafür ist es notwendig, die momentanen regressiven Entwicklungen, die wir aufhalten wollen, und die Vision einer besseren Gesellschaft und wie man sie erreicht, zu verstehen. Deshalb haben wir die Tabora-Deklaration verabschiedet, die als Grundlage für Programme und strategische Ziele auf dem Weg zu einer gleichen und gerechten Nation dient, die ein glückliches und anständiges Leben für alle Tansanier*innen ermöglicht.

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