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Kipping und Riexinger gehen in die Verlängerung

Linke sagt für Freitag geplanten Parteitag ab. Vor dem Jahreswechsel wird er offenbar nicht mehr stattfinden.

Das Infektionsgeschehen stellt auch die Linke vor enorme Herausforderungen. Am Dienstagabend gab ihr Vorstand bekannt, was erwartet worden war: Der Bundesparteitag in Erfurt, zu dem rund 1000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet hätten anreisen sollen, ist abgesagt. Er sollte an diesem Freitag stattfinden.

Doch nicht nur die Wahl des neuen Vorstands kann nun nicht ordnungsgemäß vor dem Jahreswechsel stattfinden. Auch für das Prozedere bei der Aufstellung der Spitzenkandidat*innen zur Bundestagswahl im Herbst 2021, für Diskussion und Verabschiedung eines Bundestagswahlprogramms gilt es nun, Lösungen zu finden. Vor große organisatorische Probleme sehen sich auch die Linke-Verbände gestellt, in deren Bundesländern im Frühjahr 2021 neue Landtage bestimmt werden, also Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Hinzu kommt Hessen, wo im März Kommunalwahlen stattfinden. In Sachsen-Anhalt steht im Juni die Landtagswahl an.

Wenige Tage vor der Entscheidung des Vorstands war man in der Partei noch davon ausgegangen, den mit einem ausgefeilten Hygienekonzept geplanten Parteitag abhalten zu können. Die angemietete Messehalle war nach Angaben von Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler doppelt so groß wie die in normalen Zeiten genutzten Räumlichkeiten und »hervorragend belüftet«. Zusätzlich sollten Luftfilter aufgestellt werden. Außerdem war das ursprünglich dreitägige Programm auf die reinen Vorstandswahlen eingedampft worden, die am Freitagnachmittag stattfinden sollten. Doch nicht zuletzt wegen der auch in Erfurt über die kritische Marke von mehr als 50 pro 100 000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage gestiegenen Zahl an Corona-Neuinfektionen habe man sich »schweren Herzens« zur Absage entschieden, erklärte Schindler.

Damit verlängert sich die Amtszeit der Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, die ihre Position seit 2012 innehaben, wohl um mehr als zwei weitere Monate. Nach nd-Informationen wird der Parteitag angesichts der einzuhaltenden Einladungsfristen und der zu schaffenden technischen Voraussetzungen etwa für seine Abhaltung im Onlineformat nicht mehr in diesem Jahr stattfinden.

Ursprünglich war das Delegiertentreffen für Juni geplant gewesen, dann jedoch wegen Corona verschoben worden. Ihre Kandidatur als neue Vorsitzende haben Anfang September Janine Wissler, Chefin der Linksfraktion im hessischen Landtag, und die Thüringer Landes- und Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow bekanntgegeben.

Eine Änderung des Parteiengesetzes, auf die sich Vertreter aller Parteien außer der AfD Ende September verständigt haben und die bis Mitte November in Kraft treten soll, ermöglicht für Situationen wie die aktuelle eine Abweichung von Vorschriften. Nach den bisher geltenden Regularien hätte eine Vorstandsneuwahl noch 2020 im Rahmen einer Präsenzveranstaltung stattfinden müssen. Nun ist eine Briefwahl möglich, und sie kann abschließend auch noch 2021 erfolgen.

Der Linke-Vorstand wird nach Angaben von Schindler auf seiner nächsten Videokonferenz am 7. und 8. November im Grundsatz entscheiden, in welcher Form Parteitag und Vorstandswahl stattfinden sollen. Zur Debatte stehen das klassische Format, einfach auf das Frühjahr verschoben, »dezentrale Beratungen« an fünf bis 15 verschiedenen Orten parallel, während der Vorstand per Briefwahl bestimmt wird, sowie ein Onlineparteitag. Auch bei letzterem müssten die Abstimmungen für den neuen Vorstand auf dem Postweg stattfinden. Allein die Wahlen könnten sich nach Angaben von Schindler über Monate hinziehen, zumal zwecks Gewährleistung der Geschlechterparität in der Linken immer zunächst Frauenlisten und anschließend gemischte Listen aufgestellt werden. Selbst die CDU, bei der es keine 50-Prozent-Quotierung gibt, veranschlagt sieben Wochen für die Briefwahl ihres Vorstands. Schindler betonte, die innerparteiliche Demokratie werde bei der Organisation des Parteitags »vollumfänglich« gewährleistet. Das weitere Vorgehen soll eng mit den Linke-Landesvorständen abgestimmt werden.

Aus der Parteizentrale heißt es, die amtierenden Vorsitzenden würden »zeitnah« die für die Bestimmung der Spitzenkandidat*innen zur Bundestagswahl nötigen Prozesse in die Wege leiten. Die Arbeitsfähigkeit der Partei hält auch Susanne Hennig-Wellsow für uneingeschränkt gegeben. Ein Machtvakuum, das in manchen Medienberichten vermutet wird, sieht sie nicht. Die Thüringerin sprach sich am Mittwoch auch für einen virtuellen Parteitag mit Briefwahl aus.

Parteichefin Kipping mahnte unterdessen insbesondere mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen-Anhalt zur Eile in Sachen Parteitag und Vorstandswahl. In Sachsen-Anhalt gehe es um eine mögliche Regierungsbeteiligung und in Thüringen darum, den linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu verteidigen, erklärte sie am Mittwoch. Um die Landtagswahlkämpfe effektiv unterstützen zu können, müsse das künftige Chefinnenduo schnell die nötige Legitimation bekommen. Zugleich betonte Kipping, sie werde ihre Arbeit bis zur »Staffelstabübergabe« mit »voller Energie« weitermachen. Erheblichen Einfluss auf die Arbeit der Partei haben Wissler und Hennig-Wellsow als Landes- und Fraktionschefinnen auch ohne offizielles Mandat längst, Wissler ist zudem seit 2014 stellvertretende Bundesvorsitzende.

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