Treffen ohne Widerspruch

Berliner Grüne bestätigen Parteispitze

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ruhe ist beängstigend. Während sonst oft auf Parteitagen die Redner wegen des allgemeinen Geredes der Delegierten kaum zu verstehen sind, sich Grüppchen bilden und wieder auflösen, ist es am Mittwochabend bei der Landesdelegiertenkonferenz der Grünen im Neuköllner Estrel-Hotel sehr still. Alle knapp 150 Delegierten sitzen an ihrem Platz, jeweils mindestens 1,50 Meter Abstand zwischen ihnen. Das Hauptziel des Treffens formuliert die Co-Landesvorsitzende Nina Stahr: »Es geht darum, einen handlungsfähigen Landesvorstand im Superwahljahr zu haben.« Denn im September 2021 stehen in Berlin sowohl die Wahl zum Abgeordnetenhaus als auch zum Bundestag an. Die Umfragen geben den Grünen Rückenwind. Auf aktuell bis zu 26 Prozent kommen sie demnach im Land und können sich somit ernsthafte Hoffnungen machen, künftig die Regierende Bürgermeisterin zu stellen.

Etwas über eine Stunde nach Beginn des Parteitags sind Nina Stahr und ihr Co-Vorsitzender Werner Graf für zwei Jahre als Landesvorsitzende wiedergewählt. Die Reala erhielt mit 85,11 Prozent Zustimmung etwas weniger Stimmen als zwei Jahre zuvor, der Vertreter des linken Parteiflügels mit 89,04 Prozent etwas mehr. Es zeigt auch ein wenig das verschobene Gewicht der beiden Flügel innerhalb der Partei. Die vielen Eintritte junger Menschen haben auch eher konservative Kreisverbände linker gemacht. Bisher hatten auf Parteitagen, die nicht als Landesmitgliederversammlung durchgeführt wurden, sondern auf die man Delegierte aus den Gliederungen entsandt hatte, die Realos bessere Karten.

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Programmprozess, Listenaufstellung, während andere in der Corona-Pandemie um ihr Leben kämpften: »Manchmal fühlt sich das für mich alles so banal an«, bekennt Nina Stahr. Dennoch sei es so wichtig, »weiter unsere Demokratie im Blick« zu behalten. Man könne aber »keinen Wahlkampf führen, wo wir allen von allem mehr versprechen«. Deutlich lebendiger und kämpferischer zeigt sich Werner Graf, der von zu Hause aus zugeschaltet ist - er ist Kontaktperson zweiten Grades eines Corona-Infizierten. »Wenn ihr mich fragt, was das Schlimmste im Jahr 2020 war, dann wäre meine erste Antwort wohl nicht Corona«, sagt er. Sie wäre vielleicht Hanau oder die rechte Anschlagserie in Neukölln. Dafür erntet er Jubel und Zwischenapplaus. Das geschieht nicht nur einmal während seiner Bewerbungsrede. Für die Zukunft nennt er drei entscheidende Punkte: Berlin dürfe nicht kaputtgespart werden, die Grünen müssten »den Mut und Willen haben, diese Stadt von ganz vorne aus zu regieren«, außerdem müsse die Partei im Wahlkampf Geschlossenheit zeigen. »Platz eins schaffen wir nur zusammen«, so Graf.

Designierte Kandidatin dafür ist Bettina Jarasch, die noch weiten Teilen der Wählerschaft unbekannt ist. Als Spitzenkandidatin von der Partei bestimmt werden soll sie Ende November, genau wie die Landesliste zur Bundestagswahl. Ob es wirklich zu einem physischen Parteitag kommt, ist allerdings angesichts der Entwicklung der Infektionszahlen äußerst fraglich.

Während in Berlin eine Koalition mit der CDU von großen Teilen der Grünen kategorisch ausgeschlossen wird, sieht dies im Bund bekanntlich anders aus. Immerhin könnte es für die Partei auch hier für eine Regierungsbeteiligung reichen, wobei nach derzeitigem Stand aber nur ein Partner infrage käme, eben die Christdemokraten. Die Avancen der Bundes-Grünen in Richtung CDU sind dann auch nicht zu übersehen. Das dürfte für die geforderte Geschlossenheit und die Ansprache der Wähler noch eine harte Nuss werden.

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