Wie Trump um Pennsylvanias Arbeiter auf einem Flugfeld kämpft

Donald Trump wirbt mit rechtem Sozialpopulismus und Pro-Fracking-Polemik in einem entscheidenden Swing State um Wähler

  • Moritz Wichmann; Butler, Pennsylvania
  • Lesedauer: 6 Min.
Patriotismus und Arbeiter-Rhetorik: Die Trump-Kundgebung in Butler, Pennsylvania.
Patriotismus und Arbeiter-Rhetorik: Die Trump-Kundgebung in Butler, Pennsylvania.

»Wir sind die Champions, keine Zeit für Loser«, dröhnt aus den Lautsprechern, übergroße USA-Fahnen wehen von Kränen herunter, dahinter geht die Sonne unter, als Donald Trump zu dem berühmten Lied der Band Queen unter dröhnendem Hubschrauberlärm einfliegt. Die Smartphones werden nach oben gereckt, Jubel brandet auf. Wir sind auf dem Flugfeld des Butler-Pittsburgh Regionalflughafen im Westen von Pennsylvania, drei kleinere Zuschauertribünen sind aufgebaut, dazwischen eine Bühne für den US-Präsidenten, am Eingang verkaufen Devotionalienhändler T-Shirts, rund 5000 Anhänger von Donald Trump warten auf ihren Präsidenten. Viele tragen die berühmten roten Trump-Kappen oder entsprechendes Merchandise, die Basis hat sich versammelt. »Das war mein Lieblingsmoment«, sagt eine Trump-Anhängerin, als sie später auf der Ladefläche eines Pickups kauert, der einige Besucher der »Trump-Show« zurück zum Parkplatz bringt.

Stärke zeigen, ihre Kultur verteidigen, genau das wollen sie hier. »Eine Stimme für mich ist eine Stimme für den amerikanischen Traum«, sagt Trump. Grimmiger Jubel brandet auf. Vielleicht etwas Glanz mitnehmen, einmal den Präsidenten sehen – mehrere Trump-Anhänger sehen ihn zum ersten Mal, Danielle etwa. Sie hat vor wenigen Tagen schon Trump Junior auf einer Veranstaltung gesehen, ist mit ihrem eigenen Sohn aus dem nahen Ohio gekommen. »Er wollte ihn sehen, jetzt bereut er es ein bisschen, ihm ist kalt«, sagt die junge Frau lächelnd, die in der Buchhaltung eines Krankenhauses arbeitet. Was sie an Trump mag? Das er kein Politiker sei. Frauenfeindlich? Nein, das sei der US-Präsident »überhaupt nicht«. »Sie sagen ja, Trump liegt hinten«, meint sie mit Verweis auf Umfragen. »Aber das hier, macht mir Mut« - sie deutet auf die Menge.

Der Präsident muss Pennsylvania gewinnen, wenn es klappen soll mit der Wiederwahl. Aktuell liegt er hier in Umfragen laut FiveThirtyEigth rund fünf Prozent hinten. Mit rund 68.000 Stimmen oder 1,2 Prozentpunkten Vorsprung gewann Donald Trump 2016 den Staat. Pennsylvania ist ein klassischer Swing State, auch dieses Mal wieder umkämpft, in vielen Modellen der »Tipping Point«, der über einen Wahlsieg entscheidet. Wie Joe Biden hat auch Donald Trump den Staat mehrfach besucht, heute also Butler County. Der Landkreis nördlich der Stahlstadt Pittsburgh ist »Trumpland«. Ein großes Schild entlang der Landstraße verkündet »Trump 2020 – finanziert von lokalen Unterstützern«, andere Schildern heißen den Präsident »willkommen«. Der Präsident gewann hier vor vier Jahren 66 Prozent der Stimmen.

Zwischen den beiden Großstädten Pittsburgh im Westen und Philadelphia im Osten und seinen von eher wohlhabenden und durchschnittlich gebildeteren Wählern bevölkerten Vororten gibt es viel Wildnis und eher konservative Landkreise – zwischen Pittsburgh und Philadelphia ist Pennsylvania »wie Alabama«, lautet ein altes Sprichwort. Wenn es Trump schafft, hier möglichst viele Stimmen zu gewinnen – mehr als noch 2016, könnte er damit vielleicht den erwarteten großen Stimmenvorteil von Biden in den beiden Städten und seinen Vororten ausgleichen und den Staat damit gewinnen.

Und er versucht, an einer weiteren Front gegen Biden zu punkten: mit dem Umwerben der Industriearbeiter und jene aus der Energiewirtschaft des Staates, den weißen Arbeitern ohne Uni-Abschluss. Der Ex-Vizepräsident hat in der letzten Fernsehdebatte vor der Wahl auf die Frage, ob er Fracking – die Förderung von Erdgas durch Aufbrechen von Gesteinsschichten mittels einer Frackinglösung – verbieten wolle, uneindeutig geantwortet. Verbieten nein, aber langfristig daraus aussteigen, so die diplomatische Antwort. Trump versucht, das auszunutzen, sieht einen Clinton-Moment gekommen, wie damals als die Kandidatin Hillary Clinton gegenüber Kohlekumpeln in West Virginia erklärte, man werde ihnen »Umschulungen« ermöglichen. Für die Kundgebung hat das Trump-Team extra alle Aussagen von Joe Biden und seiner Vize-Kandidatin Kamal Harris aneinander geschnitten.

Trump-Unterstützer Danielle, ihr Sohn und Kevin
Trump-Unterstützer Danielle, ihr Sohn und Kevin

»Fracking spielt einfach eine große Rolle in Pennsylvania, es ist Teil der Kultur hier«, sagt Ralph. Der schwarze Mann mit dem breiten Kreuz ist Schweißer, wollte Trump sehen, hält ein »Trump – Pence 2020« Schild in der einen Hand und seine Frau in der anderen. Er sei »sehr zufrieden« mit dem Auftritt von Donald Trump, sagt er.

Der weiß genau, auf welches Publikum er trifft und erzählt in lockerem Plauderton und immer wieder mit zuspitzender Rhetorik (»Kein Öl mehr, keine Heizung im Winter mehr unter Joe Biden.«) genau das, was viele hier hören wollen (»Die Jobs kommen nur mit mir zurück,« Oder: »In Amerika produzieren«). Damit umwirbt Trump die weiße Arbeiterklasse des Staates. Er grüßt einen kleinen Block Gewerkschafter der United Auto Workers (UAW), deren Spitze Joe Biden offiziell unterstützt. Auf den Monitoren über der Bühne steht »Workers For Trump«, am Rand der Kundgebung hat man sogar eine Ölförderpumpe aufgebaut, ein Transparent verkündete »Gas und Ölarbeiter für Trump«. »Joe Biden ist ein Globalist, der die letzten 40 Jahre eure Jobs ausgesourct hat. Er wird alle Stahlwerke schließen«, behauptet Trump. Dann stellt er Biden als China-Freund dar, Jubel brandet auf.

Viel davon ist Show, aber: Mehrere Arbeiter mit Helmen befinden sich tatsächlich im Publikum. Eine CBS-YouGov-Umfrage vom August zeigt: Eine knappe Mehrheit von 52 zu 48 Prozent befürwortet ein Fracking-Verbot im Bundesstaat. Die Erdgas-Fördertechnik hat zwar in einer von Deindustrialisierung gebeutelten Region mit wenigen anderen Arbeitsplätzen vielen Menschen ein gutes Einkommen oder Extra-Einnahmen beschert, aber eben auch Umweltprobleme und solche mit verschmutztem Grundwasser.

Wer mit Kevin redet, bekommt aber auch den Eindruck, dass es auch um die Bewahrung einer ländlichen Kultur und eine Lebensweise geht, dass Donald Trump den »rugged indivdualism« und den Kleinunternehmergeist im Land adressiert. Der 43-Jährige ist gerade aus den Ferien in Wyoming vom Jagen zurückgekehrt, auch er sieht sich Trump zum ersten Mal an. Er arbeitet in einem Stahlwerk, aber auch auf der Farm seiner Familie, züchtet Bienen, macht Honig. »Früher haben wir den einfach so abgefüllt und verkauft, heute muss ich mich von der USDA erst noch zertifizieren lassen«, beschwert sich der Mann mit den grauen Haaren über eine aus seiner Sicht überbordende Regulierung der US-Lebensmittelbehörde.

"Springt auf den Trump-Zug auf" und "Feuert die Lockdown-Liberalen": Trump-Devotionalien-Händler auf der Landstraße vor der Wahlkampfkundgebung.
"Springt auf den Trump-Zug auf" und "Feuert die Lockdown-Liberalen": Trump-Devotionalien-Händler auf der Landstraße vor der Wahlkampfkundgebung.

Vermutlich wolle Joe Biden Fracking nicht verbieten, aber er möge eben Trump mehr, sagt Kevin. Erneuerbaren Energien und Elektroautos steht er skeptisch gegenüber, die Batterieproduktion sei »noch viel umweltschädlicher«, sagt er. Er sagt, er sei gegen die hohe politische Polarisierung im Land. Den Einwand, dass Trump dazu deutlich beigetragen habe, will er nicht gelten lassen.

Auf der Bühne wiederum versucht der US-Präsident, auch die Erfolge seiner Amtszeit herauszustellen. Er erzählt vom Aktienmarkt, dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, erwähnt die Corona-Pandemie – ein Viertel bis ein Drittel des Publikums trägt Masken, die Sicherheitskräfte am Eingang messen die Temperatur - insofern als das man nächstes Jahr »danach« ein »Rekordwachstum« haben werde. Er brüstet sich mit der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani, denn auch wenn er zwar Amerikas Soldaten aus Kriegen in »Ländern, von denen ihr noch nie gehört habt«, zurückholen will, »amerikanische Gerechtigkeit« könne jederzeit weltweit zuschlagen. Das wird mit lautem »USA, USA, USA«-Sprechchören aus dem Publikum quittiert – es geht eben darum, Stärke zu zeigen, die amerikanische Lebensweise zu verteidigen.

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Mehrmals branden auch »Vier weitere Jahre«-Sprechchöre auf. Der US-Präsident flirtet mit seinem Publikum, macht immer wieder Witze. »Biden heiß Lockdown, keine Schule, kein Abschluss, kein Halloween, keine Kirche, kein Weihnachten, kein Fourth of July, aber sonst wird euer Leben toll sein«. Die Kundgebung in Butler ist eine von 14 geplanten in den letzten drei Tagen vor der Wahl in Pennsylvania, Michigan, Wisconsin sowie Iowa und Georgia, in North Carolina und Florida. Trump kämpft um seine Wiederwahl.

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