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Corona drängt zum Sparen

Geld hamstern statt Konsum - vor allem die Jungen bremsen die wirtschaftliche Erholung

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

»Den Deutschen liegt das Sparen im Blut«, ist zumindest Sparkassenpräsident Helmut Schleweis überzeugt. Jedenfalls hinterlässt Corona tiefe Spuren im Sparverhalten. Fast jeder zweite Sparer nutzt verstärkt andere Anlageformen als vor der Krise. Wichtiger als die Rendite ist dabei offenbar die schnelle Verfügbarkeit der Ersparnisse. Laut einer repräsentativen Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Kantar (früher Emnid) im Auftrag der Postbank durchführte, parken die Befragten ihr Geld nun vermehrt auf dem Girokonto. Auch die Sparkassen stellten anlässlich des »Weltspartages« am vergangenen Freitag fest, dass die Bundesbürger auf die Krise mit verstärkten Sparanstrengungen reagieren.

»Sparen ist der Wunsch der Stunde«, betonte Schleweis während einer virtuellen Pressekonferenz seines Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) Ende vergangener Woche in Berlin. Viele Menschen legten im Zuge der Corona-Pandemie noch mehr Geld zur Seite, viele wollten zukünftig noch mehr sparen. Dies ergab eine repräsentative Umfrage der Sparkassen, die ebenfalls vom Meinungsforschungsinstitut Kantar in München durchgeführt worden war.

Allerdings spart fast ein Drittel der Bürger kaum oder gar nicht, weil ihr Einkommen dafür nicht ausreicht. Es ist hauptsächlich das obere Einkommensdrittel der Bevölkerung, welches vermehrt Geld zur Seite legt. Schon im Ergebnis der »ersten Corona-Welle« war die Sparquote der privaten Haushalte in Deutschland explodiert und im zweiten Quartal auf eine Rekordhohe von 21,1 Prozent gestiegen - das ist doppelt so hoch wie im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahrzehnte. Dabei war die deutsche Sparquote im internationalen Vergleich ohnehin schon »relativ hoch«, sagte Schleweis.

Überraschenderweise sind es weniger die Alten als die Jungen, die nun zu Sparfüchsen mutieren. Besonders die 14- bis 29-Jährigen, für die Corona »die erste persönlich fühlbare Krise im Leben darstellt«, passen sich an: 54 Prozent der Jüngeren verändern ihr Sparverhalten - unter ihnen wollen vier von fünf Befragten mehr sparen.

Sparkassenpräsident Schleweis lobt die Sparer dafür: »Sie sind vorsichtig, aber nicht ängstlich«, sie reagieren »besonnen« und wägen ihr Handeln ab. Was Schleweis dabei aus den Augen verloren hat, sind die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der exzessiven Sparneigung. Drei von vier Bundesbürgern konsumieren laut Postbank in der Krise weniger. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sank der Einzelhandelsumsatz im September bereits um 2,2 Prozent gegenüber dem August.

Die Corona-Beschränkungen schmerzen vor allem den Dienstleistungssektor. Der Einkaufsmanagerindex für diesen Bereich brach im Oktober - schon vor dem Bekanntwerden des neuen Lockdown - um weitere 1,8 Punkte auf 46,2 ein. Vor allem in den Bereichen Urlaub, Gastronomiebesuche und Freizeitaktivitäten wird »gespart«. Jüngste Zahlen des europäischen Statistikamtes Eurostat deuten auf ähnliche Entwicklungen in anderen EU-Ländern hin. Danach sank der reale Pro-Kopf-Konsum der privaten Haushalte im Euroraum so stark wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1999.

Dagegen erholte sich die Industrie bislang von ihrem Einbruch im Frühjahr. Hier half vor allem die starke Nachfrage aus China. Die Volksrepublik ist längst zurück auf dem Weltmarkt und wird trotz Corona-Crash in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von etwa drei Prozent erzielen, zur Freude von Bayer, Siemens und Volkswagen. Deren Geschäfte laufen auch in den USA wieder rund. Die US-Wirtschaft erholte sich im dritten Quartal kräftig.

Doch insgesamt bereitet die exzessive Sparneigung der Wirtschaft zunehmend Sorgen. Solche plagen sogar Schleweis. In den ersten neun Monaten 2020 verzeichneten die Sparkassen sehr hohe Einlagenzuflüsse ihrer privaten Kunden von gut 33 Milliarden Euro - rund 40 Prozent über den Zuflüssen des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Das viele, viele Geld soll wieder investiert werden, so Schleweis, doch dafür fehle den Sparkassen, wie auch den Banken, einfach die Nachfrage. Ein Grund ist die spürbare Zurückhaltung der Wirtschaft bei neuen Krediten. Den Unternehmen fehlt nämlich die heimische Nachfrage nach ihren Produkten, weil die potenzielle Kundschaft lieber spart. Die Spargier der Deutschen kann so in eine verhängnisvolle Abwärtsspirale münden.

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