• Berlin
  • SPD- Spitzenkandidatin

Plagiatsaffäre lässt Giffey keine Ruhe

Erneute Prüfung der Doktorarbeit überschattet Wahlen zum Landesvorstand und Spitzenkandidatur

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich wollte die Berliner SPD den Blick nach vorn richten. Voraussichtlich vom 27. bis 29. November will die Partei einen sogenannten hybriden Parteitag abhalten, es wäre einer der ersten hierzulande. Das heißt, dass alle Debatten, Aussprachen und inhaltlichen Beschlüsse digital erfolgen sollen. Die lange geplante Wahl des neuen Parteivorstands soll bei einer dezentral organisierten Urnenwahl stattfinden, im Fall von weiteren Wahlgängen per Briefwahl.

»Mit diesem Digitalisierungsschub legen wir die Grundlage dafür, die Berliner SPD auch für das Wahljahr 2021 gut aufzustellen«, erklärte Franziska Giffey, die nach der Absage des Landesparteitags Ende Oktober bislang in den Landesvorstand nur kooptiert ist. Nach der ursprünglichen Planung sollte die Bundesfamilienministerin inzwischen gemeinsam mit SPD-Fraktionschef Raed Saleh die neue Doppelspitze bilden. Der noch amtierende SPD-Landesvorsitzende Michael Müller hatte bereits Ende Januar angekündigt, den Vorsitz abzugeben. Nach der Vorsitzwahl sollte Giffey bei einer weiteren Versammlung zur Spitzenkandidatin der SPD für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 gekürt werden. So weit der Plan.

Doch seit der Kehrtwende des Präsidiums der Freien Universität (FU) bei Giffeys Dissertation ist der Ausgang der Personalplanungen innerhalb der SPD ungewiss. Laut Universitätsleitung soll das im Oktober 2019 mit einer Rüge abgeschlossene Verfahren zu Plagiatsvorwürfen bei der Erstellung der Promotion neu aufgerollt werden. Giffey selbst hatte ursprünglich die Überprüfung von der Universität gefordert. In einer Pressemitteilung der FU vom vergangenen Freitag heißt es: »Nach Kenntnisnahme und Würdigung der vorliegenden Gutachten ergebe sich für das Präsidium, dass eine Rüge allenfalls in einem minderschweren Fall zulässig sei, ein solcher im Schlussbericht des Prüfungsgremiums für die Dissertation nicht dargetan worden und daher eine erneute Prüfung durchzuführen sei.« Zu diesem Ergebnis kam die Uni-Leitung nach Kenntnisnahme und Prüfung eines im Auftrag der Hochschule erstellten Gutachtens des Rechtswissenschaftlers Ulrich Battis, der sich allgemein mit dem Instrument der Rüge in Verfahren zur Überprüfung der Verleihung eines akademischen Grades gemäß des Berliner Hochschulgesetzes beschäftigt hatte.

Zudem berücksichtige die Hochschulleitung auch gutachterliche Stellungnahmen des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes des Abgeordnetenhauses sowie eines weiteren Gutachtens, das die CDU-Fraktion im Landesparlament vorgestellt hatte. Der wissenschaftliche Dienst war zu dem Ergebnis gekommen, dass es für eine Rüge im Berliner Promotionsrecht keine Rechtsgrundlage gebe. Der von der CDU beauftragte Bonner Professor für Öffentliches Recht, Klaus Gärditz, wiederum hatte dargelegt, dass die von der FU angelegten Maßstäbe an die Beurteilung einer Promotionsleistung bei Giffey unrechtmäßig seien.

Wie massiv die Vorwürfe zu möglichen Plagiatsstellen ausfallen, ist auf der Website VroniPlag aufgeführt: Dort werden laut aktuellem Stand in der kritischen Auseinandersetzung mit Giffeys Doktorarbeit mit dem Titel »Europas Weg zum Bürger - Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft« auf 76 von 205 Seiten Plagiatsfundstellen dokumentiert. »Dies entspricht einem Anteil von 37,1 Prozent aller Seiten«, heißt es.

Eine mögliche Aberkennung des Doktortitels ist für Franziska Giffey deshalb relevant, weil sie für diesen Fall bereits im vergangenen Sommer in der »FAZ« hatte durchblicken lassen, als Bundesfamilienministerin zurückzutreten. Ob sie dann trotzdem als Spitzenkandidatin in Berlin auflaufen könnte? In dem jetzigen Senatszuschnitt wäre Giffey im Falle einer Wahl zur Regierenden Bürgermeisterin auch für den Wissenschaftsbereich mit seinen Universitäten zuständig. Das ginge sicher nicht. Wann die FU entscheidet, ist derweil unklar.

Giffey selbst sagte der »Welt am Sonntag«: »Ich sehe der Sache gelassen entgegen.« In der Berliner SPD dürfte es mit der Gelassenheit dagegen nicht weit her sein.

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