Prozess wegen Angriff auf linkes Jugendzentrum

Rechtsextreme stehen vier Jahren nach dem Übergriff nun endlich vor Gericht

  • Lesedauer: 3 Min.

Erfurt. Seit Dienstag müssen sich vor dem Amtsgericht Erfurt zwei Rechtsextreme wegen des Angriffs auf ein linkes Jugendzentrum in der thüringischen Hauptstadt verantworten. Sie sollen dabei mit einer Gruppe rechtsradikale Parolen gegrölt haben, äußerten sich aber zu den Vorwürfen zu Beginn des Strafprozesses nicht. Die beiden 27 und 37 Jahre alten Tatverdächtigen sind wegen gefährlicher Körperverletzung in mehreren tateinheitlichen Fällen und in Tateinheit mit Hausfriedensbruch angeklagt.

Bei der Verlesung der Anklageschrift warf die Staatsanwaltschaft den beiden Beschuldigten vor, gemeinsam mit anderen am Männertag im Mai 2016 auf dem Zentrumsgelände die Besucher eines Grillfests zunächst beleidigt und anschließend unter anderem mit Reizgas attackiert und verletzt zu haben. Auch rechtsradikale Sprüche sollen gefallen sein. Außerdem sollen sie Steine und Flaschen auf die Gäste geworfen und einige mit Schlägen und Tritten angegriffen haben. Die Opfer sollen unter anderem Platzwunden und Augenreizungen davongetragen haben.

Zum Prozessauftakt kamen auch mehrere Zeugen zu Wort. Einer von ihnen, sagte, er habe die Gruppe der Angeklagten in die Nähe des Zentrums begleitet, sei aber nicht mit auf das Gelände gegangen. Er sei damals »auf Bewährung« gewesen und habe quasi nichts riskieren wollen. Der Zeuge ergänzte: »Wenn eine Gruppe rechts auf eine Gruppe links trifft - gerade mit Alkohol - da kann man sich ja denken, was dann passiert.«

Die Organisation ezra, die Opfer rechter Gewalt berät, machte im Zusammenhang mit dem Prozess unter anderem darauf aufmerksam, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder zu ähnlichen Vorfällen in Erfurt gekommen sei. Zuletzt machte etwa ein Angriff im August dieses Jahres im Ortsteil Herrenberg Schlagzeilen. Dabei sollen drei Männer aus Guinea von Rechtsextremen attackiert worden sein.

»Die Verschleppung von Ermittlungs- und Gerichtsverfahren und die Straffreiheit von Neonazis ist mit dafür verantwortlich, dass sich Erfurt seit Jahren an der Spitze der Statistik rechter und rassistischer Gewalttaten befindet«, erklärt Theresa Lauß, die zuständige Beraterin bei ezra.

Auch gegenüber dem Großteil der Täter vom Angriff aus 2016, der nun verhandelt wird, gab es im Laufe der Zeit keine Ermittlungen mehr. So müssen sich von den ursprünglich mindestens zehn Angreifern nur noch zwei vor Gericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. »Die Enttäuschung darüber, dass der Tatbestand des Landfriedensbruchs nicht aufrechterhalten werden konnte und nicht alle Angreifer zur Rechenschaft gezogen werden, ist groß« erklärt Lauß. »Die Betroffenen und auch wir erwarten nach mehr als vier Jahren ein klares Signal und die Anerkennung des politischen Tatmotivs. Es kann nicht sein, dass ein langes Verfahren am Ende vor allem den Tätern nützt und diese keine entsprechenden Konsequenzen erfahren.«

Neben ezra, erklären auch Landes- und Kommunalpolitiker immer wieder, dass es in dem Stadtteil Probleme mit Rechtsextremismus gebe. Lange Zeit befand sich dort auch ein Vereinsheim als Anlaufstelle der rechten Szene. Der Strafprozess am Amtsgericht soll am 12. November weitergehen. Agenturen/nd

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