nd-aktuell.de / 11.11.2020 / Sport / Seite 16

Aus der Schockstarre erwacht

Ein Testturnier gilt als Vorbote einer noch ungewissen Eishockeysaison

Jürgen Holz

In den vergangenen acht Monaten tat sich wenig im deutschen Eishockey. Der Coronaschlaf hatte Einzug gehalten. Während in anderen Ligen im Fußball, Basketball, Handball oder Volleyball akribisch Hygienekonzepte entwickelt wurden, um schnellstmöglich mit Zuschauern oder ohne auf die sportliche Bühne zurückzukehren, erging sich das Eishockey-Oberhaus in Selbstmitleid. Geisterspiele wurden als eine nicht tragfähige Option bezeichnet. Doch inzwischen sind sie die Basis aller Kalkulationen. Zudem können die Klubs der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) fest einkalkulieren, aus dem 200-Millionen-Euro-Rettungspaket der Regierung für den Profisport jeweils rund 800 000 Euro zu erhalten, um ausbleibende Ticketeinnahmen von April bis Ende des Jahres auszugleichen.

Inzwischen ist die DEL aus der Schockstarre erwacht und kehrt aufs Eis zurück - jedenfalls ein kleines bisschen. Ab Mittwoch startet quasi als Testlauf bis zum 12. Dezember der von einem Medienpartner gesponsorte Magentasport-Cup mit der Botschaft: Wir sind wieder da! Zumindest acht der 14 DEL-Klubs haben sich zur Teilnahme durchringen können, darunter die Spitzenteams Adler Mannheim, Red Bull München und Eisbären Berlin. Es scheint so, dass diese acht für die neue DEL-Saison melden werden. Das ist von den anderen sechs Vereinen aus Straubing, Ingolstadt, Nürnberg, Augsburg, Köln und Iserlohn weniger anzunehmen. Hier reichte sogar der 60-prozentige Gehaltsverzicht der Spieler nicht aus, um beim »Cup der Hoffnung« mitzuspielen. So fehlt den Kölner Haien ein siebenstelliger Betrag im Etat. Ob bei solchen Summen noch eine Solidaritätsaktion der Fans hilft, ist fraglich. Hinzu kommt bei vielen ein unbestimmter Spielerkreis. Die Kader sollen erst vervollständigt werden, wenn der Starttermin der DEL-Saison definitiv feststeht.

»Es ist eine Reise ins Ungewisse«, bestätigt Peter John Lee von den Eisbären Berlin. »Wir sind im Eishockey in besonderem Maße von Zuschauereinnahmen abhängig. Ohne Zuschauer brechen uns rund 80 Prozent der Einnahmen weg.« Aber man wolle »ein wichtiges Zeichen für die Fans und Sponsoren bei der öffentlichen Wahrnehmung des Eishockeysports setzen«. Das aktuelle Turnier findet zunächst vor leeren Rängen statt. Das könnte sich ändern, wenn Ende November die bundesweit geltenden Corona-Regeln auch für den Profisport überprüft werden.

Doch es bleibt die Ungewissheit über den Start der 27. DEL-Saison, der schon zweimal verschoben wurde. Nun soll am 19. November in einer Videokonferenz mit allen 14 Teams beraten werden, ob die Saison am 18. Dezember los geht und unter welchen Bedingungen. Das erste Modell sieht eine Hauptrunde mit 52 Spieltagen bis zum 7. Mai vor - ohne Playoffs, aber unter einem neuen Titel, denn erstmals hat die Liga ihre Namensrechte an einen Lebensmitteldiscounter verkauft.

Im Rahmen des Lizenzierungsprozesses für die neue Spielzeit hatten sich alle Vereine geeinigt, mit ihren Spielern vertraglich einen 25-prozentigen Gehaltsverzicht zu vereinbaren, um den Fortbestand der Klubs und der Liga zu ermöglichen. »Wir sind auf viel Verständnis gestoßen«, schildert Berlins Geschäftsführer Lee. »Es war kein leichter Schritt, aber die Jungs wussten, was auf dem Spiel stand.« Bei den Eisbären nahm lediglich Austin Ortega das neue Vertragsangebot nicht an. Nach 65 Spielen im Trikot der Berliner und 25 Toren verließ der 26-Jährige, der erst im Februar 2019 nach Deutschland gekommen war, den Verein.

»Im Wesentlichen ist der Spielerkreis zusammengeblieben, der bis zum Saisonabbruch für den vierten Platz gesorgt hatte«, stellte Lee erfreut fest. »Dennoch hat sich das Gesicht der Mannschaft verändert.« Sieben vor allem erfahrene Spieler bekamen keinen neuen Vertrag. Darunter ist überraschend auch der 34-jährige Kapitän André Rankel, der an allen sieben Meistertiteln beteiligt war. Angeführt wird das neue reduzierte Team vom Topscorer Marcel Noebels, der als »Bester Spieler« der letzten Saison ausgezeichnet wurde, und vom zweitbesten Berliner Torschützen Leo Pföderl. Cheftrainer Serge Aubin baut auch auf den Zuwachs vom US-Partner Los Angeles Kings. Fünf junge Spieler des zweimaligen Stanley-Cup-Siegers aus Kalifornien wechselten nach Berlin. Sie sollen bis zur Wiederaufnahme des unterbrochenen Spielbetriebs der National Hockey League oder der American Hockey League bleiben.

Nach einigen Testspielen - darunter gegen München (2:3 und 1:0) vor 214 zugelassenen Zuschauern im Wellblechpalast in Berlin-Hohenschönhausen - gehen die Eisbären erwartungsvoll in den Magentasport-Cup. In der Gruppe B treffen sie auf Ex-Meister München, Meister Mannheim und Schwenningen. Das erste Heimspiel am 13. November gegen Schwenningen wird im »Welli« austragen - diesmal ganz ohne Zuschauer. Am 3. Dezember (gegen Mannheim) und 5. Dezember (gegen München) wird in der großen Arena am Ostbahnhof gespielt - in der Hoffnung, dass dann nach neuer Quotenregel rund 2800 Fans zugelassen sein werden.