»Querdenken«-Demonstration blockiert

Polizeimaßnahmen gegen linken Gegenprotest in Frankfurt am Main in der Kritik

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Vorgehen der Polizei rund um eine Demonstration der Initiative »Querdenken 69« am Samstag in der Bankenmetropole Frankfurt am Main hat heftige Debatten in sozialen Netzwerken und massive Kritik am Verhalten der Staatsgewalt ausgelöst.

Statt der angemeldeten 2000 Teilnehmer waren nur einige hundert Menschen in die Frankfurter Innenstadt gekommen, um unter dem Motto »Kein Lockdown für Bembeltown« gegen die Corona-Politik der Bundesregierung und Landesregierungen zu demonstrieren. Unter ihnen sichteten aufmerksame Beobachter auch Anhänger der antisemitischen QAnon-Verschwörungsideologie. Die allermeisten von ihnen trugen weder einen Mund-Nase-Schutz noch achteten sie auf entsprechende Sicherheitsabstände.

Aufgerüttelt durch mehrfache Auftritte extremer Rechter auf ähnlichen Kundgebungen in den vergangenen Wochen und gewalttätige Ausschreitungen eine Woche zuvor in Leipzig, bei denen Linke und Journalisten tätlich angegriffen worden waren, hatte in Frankfurt ein linkes Bündnis zur Gegendemonstration und Protesten aufgerufen.

Nach Angaben antifaschistischer Medien wurde die Demonstrationsroute der »Querdenker« mehrfach und über Stunden von Gegendemonstranten blockiert. So habe der Lautsprecherwagen der Corona-Leugner längere Zeit das Bahnhofsviertel nicht verlassen können. Die Polizei habe den Demonstrationszug der »Querdenker« mehrfach umgeleitet und Wasserwerfer gegen die Blockierer eingesetzt, um den rechten Demonstranten einen Weg zu bahnen. Schließlich wurde die »Querdenker«-Kundgebung auf dem Rathenauplatz von der Polizei aufgelöst. Auch dabei wurden dem Vernehmen nach Wasserwerfer eingesetzt.

»Das Bahnhofsviertel wurde für die Querdenkenden ein Labyrinth, als ihre Route innerhalb von Minuten durch agile Blockaden immer wieder besetzt und sie zum Stehenbleiben gezwungen wurden«, resümierte Nadine Schneider von Initiative »Aufklärung statt Verschwörungsideologien« den Einsatz der Gegendemonstranten. Es sei »unfassbar, dass die Polizei im November gegen linken Gegenprotest den Wasserwerfer einsetzt, nur um einem antisolidarischen Auflauf von Verschwörungsgläubigen den Weg freizumachen«, so Schneider. »Dass die Corona-Leugner ihre Demonstration schließlich abbrechen mussten, ist ein gutes Zeichen«, so ihr Fazit.

»Polizeigewalt gegen die Antifa, die für Gesundheit für alle, Solidarität, Maskenpflicht und Abstand eingetreten sind«, kommentierte die Frankfurter Publizistin Jutta Ditfurth auf Facebook den Wasserwerfereinsatz. Sie war als Augenzeugin vor Ort. »Die Coronazidemo hätte gar nicht laufen dürfen, da sie sich an keine Coronaauflage gehalten hat«, so ihr Kommentar.

»Die Frankfurter Polizei gefällt sich in ihrer Rolle als Beschützerin rechter Kreise«, erklärte Esther Ruso von der Interventionistischen Linken (IL) in Frankfurt am Sonntag. »Während gestern Anhänger von QAnon durch unsere Straßen liefen, ermordete einer von ihnen aus rassistischen Motiven am 19. Februar in Hanau neun Menschen«, so ihr Fazit. »Dieser mit Rechten verseuchte Sicherheitskörper ist ein Brandbeschleuniger der menschenverachtenden Gewalt in unserer Gesellschaft«, urteilte die IL-Sprecherin. Die politische Verantwortung dafür trügen Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) und die schwarz-grüne hessische Landesregierung, so ihr Fazit.

Auch die hessische Linksfraktionsvorsitzende und designierte LINKE-Bundesvorsitzende Janine Wissler kritisierte den Polizeieinsatz gegen die Blockierer als »unverhältnismäßig«. Es sei ein »fatales Signal, wenn die Staatsgewalt mit Wasserwerfern gegen friedliche Gegendemonstranten vorgehe, die die Corona-Regeln einhalten und den Weg für die freiräumt, die diese nicht beachten und ohne Masken und Abstand auf die Straße gehen«, so Wissler. »Das Ganze wird ein parlamentarisches Nachspiel im hessischen Landtag haben«, kündigte sie an. Kritisch zum Verhalten der Polizei gegenüber Journalisten äußerte sich auch der Deutsche Journalistenverband (DJV). So habe die Staatsgewalt zwei Journalisten des Satire-Magazins Titanic das Fotografieren der »Querdenker«-Demonstration zunächst untersagt und ihnen erst nach Vorzeigen ihrer Presseausweise die Weiterarbeit gestattet.

Demonstrationen der »Querdenken«-Bewegung gegen Maskenpflicht und Teil-Lockdown sowie linke Gegenproteste fanden am Samstag auch in mehreren bayerischen Städten statt, so etwa in Regensburg, Aichach und Wasserburg am Inn.

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