Finanzpolitische Weichenstellungen stehen bevor

Die neueste Steuerschätzung zeigt, dass in Berlin und Brandenburg coronabedingt die finanziellen Spielräume weiter eingeschränkt bleiben dürften

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie sich die finanziellen Folgen der Coronakrise weiterentwickeln, ist schwer vorherzusehen. Vieles hängt von den verordneten Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen ab. Angesichts der aktuell beispielsweise in Berlin weiter hohen Infektionszahlen dürften auf längere Sicht Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nötig werden, die sich auch wirtschaftlich und auf die Einnahmen der Bundesländer auswirken. Dass man der Coronakrise nicht hinterhersparen darf, ist eine Binsenweisheit.

Andere Bundesländer wie Sachsen, Bayern oder Hessen haben enorme Corona-Sonderfonds aufgelegt, um die Einnahmeausfälle in den kommenden Jahren zu kompensieren und die Investitionsquoten hochzuhalten. Sachsen etwa nimmt 6 Milliarden Euro an Krediten auf - der vorsorglich aufgelegte sächsische »Corona-Bewältigungsfonds« soll dazu dienen, Folgen der Pandemie zu beseitigen, unter anderem um die staatliche Daseinsvorsorge aufrechtzuerhalten. Die Mittel des Fonds stehen bis 2022 zur Verfügung. Möglich macht diese Vorsorge die aktuelle krisenbedingte Aussetzung der Schuldenbremse, die das Schuldenmachen zur Bewältigung der Corona-Notlage gestattet.

Aber wenn andere Bundesländer mit langen Tilgungsfristen Kredite aufnehmen, um Sondervermögen und Fonds auszustatten, verschafft es diesen dann nicht Vorteile gegenüber Bundesländern wie Berlin?

Neuer Nachtragshaushalt wird verhandelt

In Berlin laufen derzeit die Gespräche innerhalb der Koalition über einen zweiten Nachtragshaushalt. Beschlossen wurde zwischen SPD, Linkspartei und Grünen noch nichts. In einem ersten Nachtrag in diesem Jahr hat sich Rot-Rot-Grün zwar auf eine Neuverschuldung von 6,6 Milliarden Euro geeinigt. Dass diese Summe ausreicht, um auch in den nächsten Jahren alle geplanten Investitionen und Ausgaben zu stemmen, darf bezweifelt werden. Es geht also derzeit um nichts weniger als finanzpolitische Weichenstellungen, die sich weit in die Zukunft auswirken dürften. Klar ist: Die fetten Jahre mit milliardenschweren Überschüssen sind vorbei. Hinzu kommen Einnahmeausfälle bei landeseigenen Beteiligungen wie der Messe, die sich ebenfalls negativ im Haushalt niederschlagen. Alles zusammen dürfte das zu milliardenschweren Haushaltslöchern in den kommenden Jahren führen. Am Ende kann sich das auch auf geplante Investitionen auswirken. Was wird dann aus den avisierten Vorkäufen von Wohnungen, aus Brückensanierungen und der Stärkung der landeseigenen Unternehmen?

»Wir bleiben bei der Linie, dass Pandemiebedarfe beziehungsweise Einnahmeeinbußen nicht aus dem Haushalt rausgespart werden dürfen. Das wäre Gift für die soziale Infrastruktur und die Wirtschaft«, sagt der Haushaltsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Steffen Zillich, zu »nd«.

Ein kleiner Lichtblick ist unterdessen die jüngste Steuerschätzung des Bundes. Demnach könnten die Einnahmeausfälle für Berlin etwas niedriger ausfallen als noch im September prognostiziert. »Die November-Steuerschätzung spiegelt die leicht günstigeren Erwartungen aus der aktuellen Konjunkturprojektion der Bundesregierung, nach der der Wirtschaftseinbruch etwas weniger tief ausfallen wird als zunächst befürchtet«, sagt Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Das wirtschaftliche Vorkrisenniveau werde aber frühestens zum Jahreswechsel 2021 zu 2022 wieder erreicht. Dies zeige sich auch in der Prognose der Steuereinnahmen. Nach den regionalisierten Ergebnissen für Berlin werden Einnahmen von rund 21,9 Milliarden Euro im laufenden Jahr und rund 23,2 Milliarden Euro für 2021 erwartet. Dies bedeute gegenüber der Interimssteuerschätzung vom September im Zeitraum des Doppelhaushaltes 2020/2021 eine Aufwärtskorrektur von rund 139 Millionen Euro im laufenden Jahr und rund 81 Millionen Euro im Jahr 2021. So oder so bleibt die Lage aber dramatisch.

Brandenburg ebenfalls schwer betroffen

Wie in Berlin schlägt die Coronakrise auch ins Kontor des Nachbarbundeslandes Brandenburg. »Die Pandemie setzt alle öffentlichen Haushalte unter Druck«, sagt Finanzministerin Katrin Lange. Eine Veränderung der Lage sei kurzfristig nicht zu erwarten, so die SPD-Politikerin. Für 2021 muss Brandenburg nach Angaben der Finanzministerin mit weiteren 426 Millionen Euro Mindereinnahmen im Vergleich zur Mai-Steuerschätzung rechnen - im Haushaltsentwurf waren bereits 510 Millionen Euro berücksichtigt worden. Trotz der Einnahmeausfälle will Brandenburg die Vereinbarungen aus dem kommunalen Rettungsschirm einhalten. 2020 werden 50 Prozent der kommunalen Mindereinnahmen ausgeglichen, im kommenden Jahr 75 Prozent.

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