Mönche beziehen altes Stasi-Ferienobjekt

Zisterzienser erhalten Grundstück des einstigen Forsthauses Treppeln für den Bau eines neuen Klosters

  • Tomas Morgenstern, Neuzelle
  • Lesedauer: 4 Min.

Pater Malachias, angetan mit der schwarz-weißen Kleidung der Zisterzienser, ist etwas in Eile. »Ich reise gleich ab«, sagt er. Der 35-Jährige muss in dringenden Angelegenheiten nach Bochum. Vom dortigen Zisterzienserpriorat Stiepel, wo er als Kaplan tätig war, ist er im Sommer nach Neuzelle in das zwei Jahre zuvor neugegründete Priorat gezogen. Sein Pkw mit dem Zisterzienser-Wappen neben dem Kennzeichen des Landkreises parkt vor dem katholischen Pfarramt auf dem Gelände des Klosters Neuzelle (Oder-Spree). Dort bewohnt er mit fünf weiteren Ordensbrüdern die obere Etage.

Kloster Neuzelle (Nova Cella), 1268 gegründet, zählt zu den wenigen vollständig erhaltenen mittelalterlichen Klosteranlagen in Europa und gilt als das nördlichste Beispiel des süddeutschen und böhmischen Barocks. Als »märkisches Barockwunder« beschrieben, gehört das Ensemble mit der weithin sichtbaren Klosterkirche St. Mariä Himmelfahrt zu Brandenburgs bedeutendsten Touristenattraktionen. Der preußische Staat säkularisierte das Kloster 1817 und überführte seinen umfangreichen Besitz in ein Stift Neuzelle, das bis 1955 als Forst- und Domänenverwaltung weiterbestand und danach verstaatlicht wurde. 1996 wurde die öffentlich-rechtliche Stiftung Stift Neuzelle des Landes Brandenburg gegründet. Über 50 Millionen Euro aus Landes-, Bundes- und EU-Mitteln sowie privaten Spenden flossen in die Restaurierung der beiden Barockkirchen - neben St. Marien auch die evangelische Kirche zum Heiligen Kreuz -, des spätgotischen Kreuzgangs sowie in das 2015 eröffnete Museum »Himmlisches Theater - Die Neuzeller Passionsdarstellungen vom Heiligen Grab«. Seit Jahren wird auch an der Wiederherstellung des barocken Klostergartens gearbeitet.

Malachias ist guter Dinge, denn seit wenigen Tagen steht nun fest, dass die Klostergemeinschaft bald ganz in der Nähe mit dem Bau eines neuen Klosters beginnen kann. In Neuzelle selbst sei das schon wegen des großen Besucherandrangs nicht möglich. »Eine so wunderbare Gelegenheit, ein Kloster mit den Fundamenten beginnend völlig neu zu errichten, ist etwas ganz Besonderes«, sagt er. Der Bau werde aus Spendenmitteln finanziert, und er hofft, dass der Umzug vielleicht schon in fünf Jahren beginnen könne.

Erst seit 2018 gibt es wieder Zisterzienser in Neuzelle, ihre Rückkehr nach rund 200 Jahren wird insbesondere von den Einheimischen in der Region mit Neugier und von vielen auch mit Wohlwollen aufgenommen. Am 20. August 2018 hatte die Abtei Heiligenkreuz in Niederösterreich offiziell sechs »Gründermönche« ausgesandt, die am 2. September 2018 auf Initiative des Bischofs von Görlitz das Priorat Neuzelle, eine Art Dependance, gegründet haben. Ziel war und ist die Besiedlung des einstigen Klosters, um dort das vom gemeinschaftlichen Beten und Arbeiten geprägte klösterliche Leben der Zisterzienser wieder aufzunehmen.

Wie es heißt, hatten sich die Zisterzienser mit Blick auf die Erfordernisse einer klösterlichen Lebensweise bald schon für den Erwerb eines Standorts im Umfeld von Neuzelle für einen Klosterneubau entschieden. Der künftige Standort, den Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) am vergangenen Mittwoch nun bekanntgab, ist schon seit Jahren im Gespräch. Wie sie informierte, habe der Rat der Stiftung Stift Neuzelle zu diesem Zweck den Verkauf der Liegenschaft des ehemaligen Forsthauses Treppeln an das Priorat Neuzelle beschlossen. Das rund 75 Hektar umfassende Areal liegt 14 Kilometer westlich von Neuzelle nahe der Ortschaft Treppeln und war Teil der einstigen Klosterländereien. Wenn der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages dem Verkauf zustimmt, wird es für 219 200 Euro in den Besitz des Priorats Neuzelle wechseln. Das hat dann fünf Jahre Zeit, den Klosterbau zu planen und den Verkaufsvertrag seinerseits zu ratifizieren.

Die Kulturministerin sprach von einer historischen Entscheidung. »Der geplante Klosterbau wird die erste Klosterneugründung der Zisterzienser in Brandenburg seit dem Mittelalter sein«, so Schüle. Die Klostergründung bereichere Neuzelle als Ort der Kultur und Bildung um eine religiöse und spirituelle Komponente. »Neuzelle gewinnt dadurch an Authentizität und Ausstrahlung.«

Die Immobilie hat eine durchaus pikante Geschichte hinter sich: Zu DDR-Zeiten lag das Forsthaus in einem militärischen Sperrgebiet, es musste in den 1970er Jahren einem Neubau weichen, das die Bezirksverwaltung Frankfurt (Oder) des Ministeriums für Staatssicherheit schließlich als exklusives Ferienheim nutzte. Erst nach der Wende öffentlich zugänglich, wurde das stattliche Haupthaus für einige Jahre gastronomisch genutzt. »Es ist auch eine gelungene Nachnutzung für das ehemalige Stasi-Gelände und hat etwas sehr Versöhnliches«, erklärte Kulturministerin Schüle in Potsdam.

Für Norbert Kannowsky, Geschäftsführer der Stiftung Stift Neuzelle, verspricht das in einem Waldstück gelegene einstige Forsthaus den Mönchen vor allem Ruhe und Rückzug. Wohl wegen der Abgeschiedenheit hatte man in den 1990er Jahren dort eine Baracke ausgebaut und Aussiedler und Asylbewerber, später auch eine Bildungseinrichtung untergebracht. Heute liegen alle Bauten nach Jahren des Leerstands in Trümmern - geplündert, von Randalierern verwüstet und mit Parolen beschmiert. Alle Wege sind überwuchert, und selbst das zweigeschossige Haupthaus nur noch ein Schandfleck.

Vor Jahren hatte Kannowsky ohne Erfolg dafür geworben, die Gebäude abreißen und das Areal renaturieren zu lassen. Die Mönche in Neuzelle indes schreckt das nicht.

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