Feministisches Sado-Maso-Kammerspiel

Die ZDF-Serie »heuldoch« fügt der MeToo-Debatte ein heiter-bizarres Stück Fernsehen hinzu

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Nein, man möchte Karin Hanczewski lieber nicht ins Gehege kommen, wenn sie übel gelaunt ist. Privat mag die Schauspielerin aus Berlin-Kreuzberg ja ein überaus freundlicher, humorvoller, zuvorkommender Mensch sein. Aber schon ihre Kriminalkommissarin Gorniak füllt den Dresdner »Tatort« mit einer herablassenden Willensstärke, unter der nicht nur maskuline Egos zerbrechen wie Zweige im Sturm. Als jähzornige Knastausbrecherin Lin jedoch wird Karin Hanczewski zur Nemesis an sich.

Wobei: Diesen vier folgenden Prachtexemplaren möchte man wirklich nicht über den Weg laufen. Und frau schon gar nicht. Es sind namentlich: Ralf (Nikolaus Kühn), der seine Machtposition als Filmproduzent seit Jahren ausnutzt, um bislang 87 Frauen sexuell zu missbrauchen. Dazu noch Ferdinand (Steffen C. Jürgens), der in seiner gynäkologischen Praxis seit 1986 heimlich 13.505 Vaginen fotografiert hat. Außerdem Fußballmillionär Kobe (Karim Ben Mansur), der weiblichen Fans Dicpics genannte Penisbilder schickt. Und dann noch der Programmierer Julian (Sebastian Brandes), der seine Gewaltfantasien durch eine selbst entworfene App auslebt. Alle vier wurden überführt und von Gerichten verdonnert, sich bei Charlotte Scharf (Belinda Ruth Stieve) in strafmindernde Zwangstherapie zu begeben.

Ein Routinetermin, denken sich die vier misogynen Machos, als sie frei von emanzipatorischem Ehrgeiz zum Wochenendseminar in der prächtigen Landpraxis aufkreuzen. Dort wartet allerdings keine Diplom-Psychologin, sondern die verurteilte Mörderin Lin mitsamt ihrer Komplizin Gloria (Bärbel Schwarz). Auf der Flucht sind sie in Dr. Scharfs Villa gelandet und müssen nun spontan in deren Rolle schlüpfen, weil die Hausherrin sich vor Schreck den Hals gebrochen hat. Eine bizarre Situation, wenngleich auch nur angemessen absonderlich für die ZDF-Serie, in der sie sich ereignet.

»Therapie wie noch nie« steht unterm Hashtag heuldoch in der Mediathek und ist womöglich der heiterste Beitrag zur MeToo-Debatte, seit unter diesem Symbol vor drei Jahren flächendeckender Missbrauch männlicher Machtpositionen publik wurde. Als den zwei Flüchtigen bewusst wird, mit was für Typen sie es zu tun haben, besser noch: Dass ihnen die gernegroßen Schlappschwänze auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, weil die erfolgreiche Therapie Voraussetzung eines milden Urteils ist, dreht das pseudopsychologische Duo den Spieß um. Sie lassen ihre Klienten in einer Art feministischem Bootcamp leiden, dass der Dreck nur so spritzt.

Als Konsequenz all der Erniedrigungen ihrer Geschlechtsgenossinnen, jagen Lin und Gloria das frauenfeindliche Quartett durch den brandenburgischen Wald, lassen es in Frauenkleidern Abbitte leisten, wollen zwischenzeitlich zwar schon auch an die Pin Codes der wohlhabenden Sexualstraftäter, um ihre Flucht zu finanzieren. Mindestens ebenso wichtig aber ist es ihnen, aus Tätern endlich mal Opfer zu machen. »Wir erlauben uns bunt zu sein und zu überhöhen«, erklärt Regisseurin Isabell Šuba ihr groteskes Kammerspiel. Hinter dem Sado-Maso-Sextett auf Zeit allerdings steckt eine Wahrhaftigkeit weit jenseits bloßer Persiflage.

Es geht um Fragen, die ZDF-Redaktionsleiterin Claudia Tronnier so stellt: »Was wird aus Männern, die objektiv des sexualisierten Machtmissbrauchs überführt sind?« Mehr noch: »Hilft eine Therapie?« Nach fünf Episoden, verdichtet auf 70 Minuten Kurzspielfilm, bleibt die Antwort angenehm offen. Ausgerechnet der Jüngste beginnt zwar, sein Verhalten zart zu reflektieren. Die drei älteren Männer allerdings kultivieren weiter ihren Zynismus. Fazit: Ein paar Tritte in den Arsch selbstgerechter Alphakerle können gewiss nie schaden. Was sich zügig ändern muss, ist hingegen die Struktur, in der sie überhaupt Alphakerle werden. Der Weg ist noch weit. Aber in diesem Fall wenigstens außergewöhnlich unterhaltsam. Und bei allem Aberwitz ist es auch ganz schön klug.

»heuldoch« in der ZDF-Mediathek

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