Japanischer Klassiker

Mishima in neuer Übersetzung

  • Frank Willmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Züricher Kein & Aber Verlag hat sich mit der Neuübersetzung der Bücher des umstrittenen japanischen Autors Yukio Mishima ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bisher wurden für die deutschen Mishima-Übersetzungen häufig Übertragungen vom Japanischen ins amerikanische Englisch benutzt (was dazu führte, dass viele Mishima-Leser, wie Christian Kracht, die bessere französische Übersetzung goutierten). Nun werden alle Bände direkt aus dem Japanischen übersetzt, mit Nachworten und Anmerkungen versehen.

Mishimas Sprache ist üppig, geradezu hypnotisch und bildgewaltig. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Roman »Der Goldene Pavillon«, in dem Mishima den jungen, stotternden Zen-Novizen Mizuguchi in den einen berühmten Tempel in Kyoto schickt. Überwältigt von dessen Schönheit, entwickelt der von seinen Mitmenschen gemiedene Student eine merkwürdige Obsession für den Bau, die nur in einer Katastrophe enden kann. Wie so häufig ist die Gefühlswelt von Mishimas Außenseiterhelden deformiert. Mizuguchi ist ein wirrer Geist, dessen Sexualleben gewissermaßen von der Spitze des Goldenene Pavillons gelenkt wird. Jeder Tourist, jeder gemeine Betbruder ist ihm ein Gräuel, nein: ein Konkurrent im Liebeskampf.

Mishima verzichtet auf eine übergeordnete Botschaft, sein Held handelt autonom. Der Roman beruht auf einer wahren Begebenheit, zu Recherchezwecken hatte Mishima den Mönch im Gefängnis besucht, dessen Tat Anfang der 50er Jahre ganz Japan beschäftigte. Auch Mishima war ein eigenwilliger Geist, seine Homosexualität ein offenes Geheimnis, auch wenn sich seine Nachfahren heute dagegen verwahren. Er durchlebte mehrere spektakuläre Häutungen. Aufgewachsen als schmalbrüstiges Omakind mit Sportverbot, stählte er in den 50ern seinen Körper und trat in den 60ern in reißerischen Samurai-Filmchen auf und posierte für Fotobände mit homoerotischen Halbakten. Zum Ende seines Lebens fraß er Kommunisten und in seinen Augen zu lasche Nationalisten gleichermaßen zum Frühstück.

Sprachlich beweist sich »Der Goldene Pavillon« als japanischer Klassiker - den man im historischen Kontext lesen kann. Wie Mishima ein politischer Wirrkopf war, so ist es sein Held im Roman - mit entsprechendem Finale furioso.

Yukio Mishima: Der Goldene Pavillon. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe, Kein & Aber Verlag, 336 S., geb., 22 €.

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