Kontaktsperre und Redeverbot

Klinikum Wahrendorff schüchtert erneut die Mitarbeiter ein

  • Mona Grosche
  • Lesedauer: 3 Min.
Die psychiatrische Privatklinik Wahrendorff bei Hannover machte kürzlich Schlagzeilen wegen des Drucks der gewerkschaftsfeindlichen Geschäftsleitung auf die Mitarbeiter und bedenklicher Zustände in der Pflege. (ND berichtete am 18.05.07) Jetzt drohen den Angestellten wieder Repressalien.
»Halt's Maul«, pflaumt der Stationsleiter den Patienten an. Als der psychisch kranke Mann nicht reagiert, sprüht er ihm Pflegeschaum - eigentlich zur Reinigung des Genitalbereichs gedacht - in den Mund. Was wie eine Szene aus »Einer flog übers Kuckucksnest« anmutet, spielte sich in einer der größten psychiatrischen Privatkliniken Europas, der Klinikum Wahrendorff GmbH ab. Bekannt wurden die Praktiken auf der Station AST 2, einer geschlossenen Akutstation für Menschen ab 55, als Mitarbeiter dorthin versetzt wurden - und vor Entsetzen über die Zustände schleunigst wieder weg wollten. Nach ihren Berichten flößte Klaus W. seit 2004 Stationsleiter, schlafenden Patienten Flüssigkeit ein. Andere zwang er mittels Polizeigriff zur Einnahme von Medikamenten. »Lästige« Patienten wurden von Kopf bis Fuß mit Pflegeschaum eingesprüht, der jedoch nur mit einem trockenen Tuch abgewischt wurde. Untergebene, die sein Verhalten kritisierten, soll er mit Druck und Drohungen zum Schweigen gebracht haben. Die Leidenszeit auf der AST 2 hat nun ein Ende: Der Stationsleiter wurde vor die Tür gesetzt. Bis dato gibt es keinerlei Hinweise auf strafrechtliche Konsequenzen der Übergriffe. Die Misshandlungen sollen unter den Teppich gekehrt werden, vermuten Insider, denn im »Fachkrankenhaus für die Seele« fürchtet man nichts so sehr wie ein schlechtes Image, und erledigt die Angelegenheit lieber im stillen Kämmerlein. Für negative Publicity sorgen darüber hinaus stetig schlechter werdende Arbeitsbedingungen und Attacken gegen gewerkschaftliche Strukturen. Kritiker sehen die aktuellen Misshandlungen als direkte Folge der Unternehmenspolitik: »Hier werden Vorgesetzte nicht nach Qualifikation ausgesucht, sondern danach, dass sie die Linie der Klinikleitung umsetzen«, kommentiert ein Angestellter, der lieber anonym bleibt. Auch Klaus W. sei für den Posten nicht geeignet gewesen - im Gegenteil: Er habe ein Alkoholproblem, von dem die Klinikleitung bereits vor der Beförderung wusste. Die Klinik suche sich Leute aus, die erpressbar seien, so Mitarbeiter, die bisher aus Angst schwiegen. »Bei 24 statt 19 vorgesehenen Patienten, von denen einige fixiert sind, und das bei dauernder Unterbesetzung, bräuchte man eigentlich Rollschuhe, um von einem Patienten zum nächsten zu hetzen«, beschreibt Nandor Pouget von der Gewerkschaft Gesundheitsberufe (GGB) seine Erfahrungen. Auch ihn überraschen die Vorfälle nicht, da immer mehr Zivis und studentische Aushilfen die Arbeit von Pflegekräften übernehmen. »Da muss dann auch schon mal eine Hauswirtschafterin Sitzwache bei einem hochpsychotischen Patienten halten«, so Pouget. Das könne ins Auge gehen. Kürzlich verletzte ein aggressiver Patient drei Mitarbeiter, 2004 wurde eine Angestellte Opfer eines sexuellen Übergriffs - wegen Unterbesetzung kümmerte sie sich allein um einen Patienten auf der geschlossenen Station. Die Fluktuation unter den examinierten Kräften ist groß. Jene, die bleiben, trauen sich nicht einmal, ihre Überlastung zu melden, zu groß ist die Angst vor Repressalien. Davon waren einige aktive Mitglieder der Betriebsratsgruppe »Courage« betroffen. Innerhalb eines Jahres hagelte es gegen sie gleich zehn außerordentliche Kündigungen und drei Ausschlussverfahren. Kürzlich musste die Geschäftsleitung zwar empfindliche Schlappen vor Gericht einstecken, doch die Freude darüber ist verhalten: »Wir wissen, dass die Geschäftsleitung mit ihrer Zermürbungstaktik weitermachen wird«, so ein Betriebsratsmitglied. Ans Aufgeben denkt man aber nicht. Man will weiter Arbeitnehmerrechte vertreten, wo immer es Not tut. Wie die GGB berichtet, soll in der Klinik ein »Verhaltenskodex« eingeführt werden. Der untersagt jeden privaten Kontakt zwischen Patienten und Beschäftigten - auch über den Klinikaufenthalt hinaus - und verhängt ein Redeverbot über alle »klinikinternen Angelegenheiten«, natürlich zählen Arbeitsbedingungen dazu.
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal