SPD-Chef will weitere Debatte über Bewaffnung von Drohnen

Norbert Walter-Borjans: »Grenze zwischen der Verteidigung von Leib und Leben unserer Soldaten und Töten per Joystick ist hauchdünn«

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Berlin. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat weitere Beratungen über die vom Verteidigungsministerium geplante Bewaffnung der neuen Bundeswehr-Drohnen gefordert und dafür deutliche Kritik erhalten. »Zusammen mit großen Teilen der SPD-Mitgliedschaft und vielen anderen friedenspolitisch engagierten Gruppen in unserer Gesellschaft halte ich die bisherige Debatte über bewaffnete Bundeswehr-Drohnen nicht für ausreichend«, sagte Walter-Borjans der »Süddeutschen Zeitung« (Dienstag).

FDP und Grüne wiesen dies als unzutreffend zurück und forderten die SPD auf, sich jetzt für oder gegen die Bewaffnung zu entscheiden. Der SPD-Vorsitzende düpierte mit seiner Position auch die Verteidigungspolitiker seiner Partei.

Walter-Borjans sagte: »Die Grenze zwischen der Verteidigung von Leib und Leben unserer Soldaten und Töten per Joystick ist hauchdünn.« Wer eine differenzierte Entscheidung wolle, müsse Sicherheitsstreben und Ethik gleichermaßen ernst nehmen. Dies habe Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) »in Corona-Zeiten nicht nur nicht gewährleistet - sie nutzt den Fokus auf andere Schwerpunkte, um in Rüstungsfragen Fakten zu schaffen«, sagte er.

Dagegen hatten die SPD-Verteidigungspolitiker nach einer umfangreichen Debatte inklusive Expertenanhörung zuletzt Zustimmung zur Bewaffnung der Drohnen signalisiert. Das Verteidigungsministerium hat für das Projekt bereits eine 25-Millionen-Euro-Vorlage entworfen, die nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur schon im Bundesfinanzministerium vorliegt. Für die Bewaffnung sind von 2021 bis 2025 insgesamt 132,4 Millionen Euro vorgesehen. Soll der Zeitplan noch eingehalten werden, ist eine zügige Entscheidung nötig.

Auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), hatte sich kürzlich deutlich für die Bewaffnung der Drohnen ausgesprochen. Der Koalitionsvertrag sei klar, die Diskussion habe stattgefunden, auch die Rahmenbedingungen seien klar, sagte sie. Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD und Union darauf verständigt, über die Bewaffnung von Drohnen erst nach ausführlicher Prüfung zu entscheiden.

Das neue, in Israel gefertigte Drohnen-Modell Heron TP lässt sich bewaffnen. Es kann rein zur Beobachtung von Gegnern eingesetzt werden, aber auch zum Angriff. Vor allem in der SPD hatte es lange Zeit erhebliche Bedenken gegen die Bewaffnung gegeben. Kritiker führten wiederholt an, die Hemmschwelle für die Anwendung militärischer Gewalt könne durch eine räumliche Distanz sinken.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann reagierte empört: »Nach dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich nimmt jetzt auch der SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans Abschied von einer verantwortungsvollen Sicherheitspolitik«, erklärte sie in Berlin. Zu behaupten, die Debatte über bewaffnete Drohnen hätte nicht genügend stattgefunden, sei unverschämt und eine Beleidigung all derer, die sich daran jahrelang sachlich und konstruktiv beteiligt hätten. »Die traurige Wahrheit ist, dass die SPD sich erneut gegen die Bundeswehr und ihre Soldatinnen und Soldaten stellt. Das ist nicht nur eine staatspolitische Bankrotterklärung, die alte Tante SPD ist endgültig entbehrlich geworden.«

Auch der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner betonte, die Argumente in der Drohnendebatte seien ausgetauscht. Man könne wie die CDU zum Ergebnis kommen, die Drohnen bewaffnen zu wollen. Ebenso könne man wie die Grünen zum Schluss gelangen, die Bewaffnung abzulehnen. »Was hingegen nicht geht, ist sich jetzt wie die SPD-Spitze hinter dem Verfahren zu verschanzen und zu behaupten, es hätte keine umfassende Debatte gegeben«, sagte Lindner. »Die Sozialdemokraten sollten sich jetzt bekennen, ob sie für oder gegen eine Bewaffnung von Drohnen sind.«

Der CSU-Sicherheitspolitiker Reinhard Brandl bezeichnete die Position des SPD-Vorsitzenden als »absurd«, alle Argumente seien mehrfach ausgetauscht und abgewogen worden. »Die SPD muss endlich Farbe bekennen. Eine Verzögerungstaktik ist, wenn es um den Schutz von Soldaten im Einsatz geht, absolut unangemessen.«

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Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn bezeichnete in einem Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland bewaffnete Drohnen als »essenziell für den Schutz unserer Frauen und Männer im Einsatz«. Zugleich betonte er: »Der Einsatz von Drohnen würde klaren Regeln und Vorschriften unterliegen, die der Bundestag in seinen Mandaten festlegt, genauso wie bei allen anderen Einsätzen seit jeher.« dpa/nd

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