Fliegen vertreibt die Sorgen

Markus Eisenbichler will bei den Weltmeisterschaften hoch hinaus - ein Star ist er im Skiflugland Slowenien schon jetzt

  • Christoph Leuchntenberg, Planica
  • Lesedauer: 3 Min.

Markus Eisenbichler saß lächelnd in seinem Zimmer im Hotel Kompas in Kranjska Gora und machte seiner großen Leidenschaft eine Liebeserklärung aus tiefstem Herzen. »Beim Skifliegen fühlst du dich wie der Aladin auf seinem Teppich«, sagte er vor dem Auftakt der Weltmeisterschaften im slowenischen Planica: »Man denkt nicht viel, genießt nur den Flug und will nicht, dass dieses Gefühl endet. Die ganzen Sorgen und Ängste, die einen im echten Leben bedrücken, sind da vergessen.«

Während in Eisenbichlers bayerischer Heimat die Corona-Maßnahmen verschärft werden, sind die Titelkämpfe im legendären »Tal der Schanzen« ein Anker in die Normalität für Deutschlands besten Skiflieger. »Ich freue mich extrem auf die Tage hier, die Flüge und die extrem geile Schanze«, sagte der 29-Jährige, der nicht erst seit seinem ersten Weltcupsieg in Planica im März 2019 ein Star im flugverrückten Slowenien ist - die Wände in seinem und anderen Hotelzimmern zieren riesige Wandbilder von »Eisei« in waghalsiger Flugaktion. »Das Foto ist von 2013 oder 2014 und zeigt, was das Fliegen ausmacht - auch wenn damals noch nicht so viel davon bei mir vorhanden war«, sagte Eisenbichler lachend.

Der Spätzünder, der mit 248,0 Metern den deutschen Rekord hält, ist mittlerweile auf den größten Schanzen der Welt einer der Allerbesten - und hat große Chancen auf den ersten deutschen WM-Titel im Fliegen seit Severin Freund 2014. »Ich muss die Sprünge machen, die ich in den letzten Wochen abgeliefert habe, mein Fluggefühl einsetzen. Dann haben es die anderen schwer, auch die Norweger«, meint der amtierende Großschanzenweltmeister. Die Norweger, vor allem Senkrechtstarter Halvor Egner Granerud, sind seine stärksten Gegner im Einzel, das an diesem Donnerstag mit der Qualifikation beginnt und nach je zwei Wertungssprüngen am Freitag und Sonnabend enden soll.

Mit zwei Siegen im Weltcup war Deutschlands Nummer eins in diese Saison gestartet, danach gewann dreimal Granerud - zuletzt in Nischni Tagil aber auch nur, weil Eisenbichler wegen einer Windböe schuldlos abstürzte. »Danach habe ich mich ein paar Minuten aufgeregt, dann war das Thema abgehakt«, sagt Eisenbichler, der mittlerweile in Extremsituationen tiefenentspannt auf dem Teppich bleibt: »Früher habe ich mich zu sehr aufgeregt und dabei zu viel Energie verbraucht. Jetzt sage ich: Mei, das ist halt jetzt so.«

Diese Ruhe benötigt Eisenbichler auch in Planica, wo in Coronazeiten nichts ist wie gewohnt. Die Weltmeisterschaften hätten schon im März stattfinden sollen, waren dann aber eine der ersten Großveranstaltungen in Europa, die abgesagt wurden. Wegen bestehender Fernsehverträge werden diese nun noch im Kalenderjahr 2020 nachgeholt. Ohne Zuschauer, versteht sich. Dort, wo die Letalnica-Schanze sonst in einem Hexenkessel mit dem unnachahmlichen Aroma aus Krainer Bratwurst und reichlich Bier mündet, herrscht gähnende Leere. »Die besondere Stimmung hat mich immer gepusht. Aber vielleicht ist es ganz gut, wenn beim Skifliegen nicht so ein Trubel herrscht«, sagt Eisenbichler.

Dass Corona auch im Springerlager gewütet hat, einige Athleten zwangsweise fehlen, andere wie Weltrekordler Stefan Kraft von einer Infektion geschwächt sind, quittiert Eisenbichler schulterzuckend: »In unserem Team hat es noch keinen getroffen, weil wir ein gutes Konzept haben. Bei den anderen ist es dann auch mitunter selbst verschuldet, weil die eben kein so gutes Hygienekonzept haben, nicht immer aufpassen - dafür kann ich dann auch nichts.« SID/nd

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